Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
«Ich habe in den vergangenen Tagen, besser gesagt Abenden und Nächten bis heute, Aufzeichnungen meines Vaters gelesen. Es sind nur knappe Tagebuchnotizen, ich verstehe auch noch nicht alles. Aber was ich verstehe, ist schwer zu glauben und noch schwerer zu ertragen. Wollen wir uns setzen?» Sie hatten den Pavillon erreicht und setzten sich. «Sie kennen Felix.»
    «Spielt er in den Aufzeichnungen eine Rolle?»
    «Nein, ich denke nicht. Woher kennen Sie ihn?»
    «Gedankensprung oder Inquisition?»
    «Neugier. Er ist mein Cousin.»
    «Das weiß ich. Nun gut. Neugier will befriedigt sein. Felix kennt viele Leute.» Sie zuckte leichthin die Achseln. «Wir haben Lawn-Tennis im selben Club gespielt. Daher kennen wir uns. Vermuten Sie bitte keine Affäre. Er ist einfach – nett. C’est tout .»
    Da brachte Frau Lindner Kaffee, Sherry und ein Silberetui mit den flachen ägyptischen Zigaretten. Als sie wieder gegangen war, holte Hetty tief Luft. Tante Lydia würde es degoutant finden, mit einer kaum bekannten Person über Familienangelegenheiten zu sprechen, aber sie musste jetzt reden. Die Frage nach Felix war letztlich nur ein kleiner Aufschub gewesen.
    «Ja, Felix ist nett. Und sehr hilfreich. Aber es heißt, man vertraue einen Kummer leichter einer fremden Person an als Mitgliedern der eigenen Familie. Ich muss vermuten», fuhr sie rasch fort, ehe ihr Mut schwand, ihr Atem ging plötzlich flach, «ja, vermuten, dass mein Mann meinen Vater ruiniert hat.»
    «Oh, verdammt», entfuhr es der baltischen Baronesse. «Pardon, aber das ist wirklich fatal. Pech oder Leichtsinn?»
    «Weder noch.» Henrietta nahm ihr Sherryglas, drehte es einmal in der Hand und leerte es. «Es sieht nach Betrug aus. Mir scheint, ich rede über einen fremden Mann. Wenn ich das, was ich gelesen habe, richtig deute, hat er meinen Vater um nahezu seinen ganzen Besitz gebracht. Im günstigsten Fall war er selbst auch der Betrogene. Felix hatte schon so etwas angedeutet, aber da wusste ich noch zu wenig, um es zu verstehen. Thomas hat meinem Vater offenbar taube Minen im Süden Afrikas verkauft, angeblich über einen Agenten, den es vielleicht gar nicht gibt.» Sie zog das Taschentuch aus dem Ärmel und putzte sich mit undamenhafter Lautstärke die Nase, bevor sie fortfuhr: «Das kann nicht der Thomas getan haben, den ich kannte. Zugegeben, im zweiten Jahr unserer Ehe war er – wie soll ich sagen? Da waren er und unser gemeinsames Leben nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber was wusste ich schon von der Ehe? Trotzdem war er mein liebender Gatte. Meistens jedenfalls. Und schauen Sie, die hatte er immer in der Brusttasche seiner Weste. Bis in diese letzte Nacht.»
    Nun begannen die Tränen zu fließen, leise und still, über die Wangen zum Kinn. Sie holte die Kiesel, die Paul Ekhoff ihr gebracht hatte, aus der kleinen Gürteltasche und legte sie auf den Tisch. Christine zog scharf die Luft ein.
    «Diese Kiesel habe ich auf unserer Hochzeitsreise am Strand gefunden und ihm geschenkt», erklärte Hetty und wischte mit dem Ärmel die Tränen ab, «beim Spaziergang auf Guernsey. Er hat mich dafür geküsst und gesagt, er wolle sie immer bei sich tragen, an seinem Herzen. Und das hat er getan, in der Brusttasche seiner Weste. Kommissar Ekhoff hat sie mir mit einigen anderen Sachen gebracht, die Thomas bei sich trug, als er – als man ihn fand. So ein Mann begeht doch keinen gemeinen Betrug am Vater seiner Ehefrau. Wie konnte er das tun?» Wieder wurde die Nase geputzt, wieder laut und vernehmlich. «Vielleicht habe ich die Tagebuchzeilen falsch verstanden, und er war es gar nicht. Die Notizen sind sehr knapp gehalten, da versteht man leicht etwas falsch. Ich muss Felix fragen, Felix wird es wissen oder verstehen.»
    «Halt, warten Sie. Sie müssen gut überlegen, was das Richtige ist. Felix zu fragen hat Zeit. Diese hier», Christine nahm mit spitzen Fingern einen der Kiesel auf und hielt ihn ins Licht, «diese hier hat er bis zuletzt in der Brusttasche seiner Weste getragen? An seinem Herzen? Ach, Henrietta.» Sie seufzte in tiefem Mitgefühl. «Sie sind eine romantische Seele, und ich muss Sie jetzt sehr enttäuschen. Solche Steine sind am Strand von Guernsey gewiss nicht zu finden. Es sei denn, ein Schmuggler hat sie fallen lassen. Das kommt mir aber unwahrscheinlich vor, die Dunkelmänner dort schmuggeln eher Scotch, Tee und solche Sachen. Was Ihr Gatte am Herzen getragen hat, ist nichts anderes als ein hübsches, nicht zu kleines Trio

Weitere Kostenlose Bücher