Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
verloren.»
Ekhoff war aufgestanden und zwei Schritte auf und ab gegangen. Die Luft in dem Souterrainraum war zum Schneiden dick, immer noch stieg ihm Weiberts Gestank in die Nase. Er versuchte, eines der vergitterten Fenster zu öffnen, erst als er kräftig gegen einen Rahmen drückte, öffnete sich der rechte Flügel quietschend eine Handbreit.
«Hören Sie gut zu.» Ekhoff klang plötzlich müde. «Sie wollen uns weismachen, eine kostbare goldene Uhr hat geschlagene vierundzwanzig Stunden und länger auf der Straße gelegen, ohne dass sie jemand bemerkt und aufgehoben hat. Das ist Humbug. Ich werde Ihnen jetzt sagen, was passiert ist, nur falls Sie es vergessen haben. Dann geht es ab in die Zelle. Ich bin Ihr Geschwätz nämlich müde.»
Zum ersten Mal verrieten Weiberts Augen Angst, endlich begriff er, dass er in diesem Spiel der Kandidat Nummer eins für die Rolle des Mörders war. Und dass es niemand gab, der für ihn sprach. «Das ist alles die Wahrheit», haspelte er, «nichts is’ gelogen.»
«Schluss jetzt, Weibert. Sie haben sich nachts am Meßberg rumgetrieben, völlig abgebrannt, Sie hatten Ihre Messer dabei – ja, glotzen Sie ruhig, von Ihrer Messerwerferei wissen wir längst. Nettes Steckenpferd. Da kam Ihnen dieser Mr. Winfield entgegen, dem man gleich ansah, dass er zu denen gehört, die Geld in der Tasche haben. Auf alle Fälle trug er teure Kleider, die auch ganz gutes Geld bringen. Schon flog Ihr Messer, und der Mann war tot. Sie haben seine Taschen ausgeräumt und sind getürmt. Aber – Sie sind gesehen worden.»
«Was? Das ist gelogen! Wer so was sagt, lügt. Nie würd ich so was machen. Ich sammle ab und zu was von der Straße auf, was vielleicht einem andern noch gehört, aber nur vielleicht, weiß man ja nie. Und dann vergess ich schon mal, das olle Zeug bei der Wache abzuliefern. Aber ich bring doch keinen um. Ich hab meine Ehre. Und ich hab gar keine Messer mehr. Dabei könnte ich damit gutes Geld verdienen, als Künstler. Jetzt, wo ich es dringend brauche, weil mich einer verleumdet hat, ich tät bei der Arbeit trinken und die Fahrgäste gefährden und die Pferde schlagen und rumpöbeln, dann haben sie mir die Droschkenlizenz – ja, ich hör schon auf, Herr Kommissar.» Er hatte sich in wachsender Erregung halb erhoben und die Fäuste auf den Tisch gestützt, das Kinn vorgereckt. Er sah trotzdem jämmerlich aus. «Ich hab keine Messer mehr, die sind verloren. Oder geklaut. Plötzlich waren sie weg.»
Sein Blick wirkte gehetzt, und er sank auf seinen Stuhl zurück, im Gesicht ein einziges großes Staunen. «Ich war es nicht. Kann gar nicht sein. Wann hat den einer erstochen? In welcher Nacht?»
«Was soll das, Weibert?» Ekhoff stand immer noch mit dem Rücken zum Fenster und blickte nun weniger streng als neugierig auf den schmutzigen Mann am Tisch hinunter.
«Wann? In welcher Nacht?», rief Weibert.
«Vor vier Tagen», erbarmte sich Henningsen. «In der Nacht von Montag auf Dienstag.»
Weiberts Unterlippe zitterte heftig, er sackte in sich zusammen, sein Kopf sank auf den Tisch, und er begann zu schluchzen. Fast wie ein Kind.
Knut Weibert weinte vor Erleichterung, vielleicht auch vor Glück. Er hob den Kopf, just eine Sekunde bevor Ekhoff ungemütlich wurde. Dem war es unerträglich, dem krächzenden Gewimmer eines erwachsenen Mannes zuzuhören.
«Ich war’s nicht, das ist die Wahrheit, und ich kann’s beweisen. Ich weiß es genau. In der Nacht», er grinste so breit, dass seine Augen zu schmalen Schlitzen wurden, «in der ganzen Nacht bis nächsten Mittag war ich im Seemannshaus gegenüber von den St.-Pauli-Landungsbrücken. In der Krankenabteilung. Reine Schikane, nur weil ein Mann mal ’n bisschen über ’n Durst trinkt und lustige Lieder singt.»
Er hatte an jenem Abend auf dem Weg zum Spielbudenplatz zwei alte Freunde getroffen, die am Nachmittag Glück gehabt und ein kleines, wirklich ganz kleines Fässchen belgischen Genever gefunden hatten. Das war leider von einem Fuhrwerk gekullert. Keiner wusste, wem es gehört, und eh man es verkommen lässt … Belgischer Genever, tadelloser Wacholderschnaps mit ’ner Prise Anis, köstlich und teuer. Das Fässchen war bald geleert.
«Beim Seemannshaus ist ’ne nette Laube, ich wollte da nur ein Stündchen schlafen, kann schon sein, dass ich gesungen hab, sicher kein frommes Lied. Aber deswegen gleich in der Tobzelle festgeschnallt – da muss man ja erst recht toben.»
Er hatte sich schnell beruhigt und gut
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