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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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nachdenken. Etwa vor anderthalb Wochen. Ist es wichtig? Dann …»
    «Ach nein», fiel ihm sein Sohn ins Wort. «Ich frage nur wegen des Wetters. Ich verstehe nichts von der Fotografie, außer dass man gutes Licht braucht. Neuerdings laufen diese Fotografen überall herum. Man fühlt sich beinahe verfolgt.»
    An der Freihafengrenze am Ende der Brücke kontrollierten zwei Zöllner ein zweirädriges Gig, der Fahrer hatte es besonders eilig, zurück in die Stadt zu kommen, sein Tonfall – er sprach mit starkem französischem Akzent – wechselte gerade von schmeichelnd zu ungehalten. Die Zöllner beachteten ihn nicht. Als ein schneller kleiner Wagen ohne nennenswerten Stauraum bot das Gig auch keine nennenswerten Schmuggelverstecke, sie waren trotzdem gründlich. Womöglich mochten sie keine Franzosen.
    Natürlich wurde ständig geschmuggelt. Erst vorgestern hatte in der Zeitung gestanden, dass die Zöllner beim Anleger Baumwall wieder einen geschnappt hatten. Keinen im Anzug aus feinster englischer Wolle, sondern einen armen Kerl in geflickter Joppe. Kaufte so einer im Freihafen eine tüchtige Menge guten schwarzen Tees, fiel das auf. Die Zöllner hatten ihn schon erwartet.
    Die beiden Grootmanns passierten die Zollgrenze, ohne ihr Gespräch zu unterbrechen. Der dritte am Tor postierte Zöllner zeigte soldatische Haltung und ließ sie mit respektvoll angedeuteter Verbeugung vorbei. Die Grootmanns kannte hier jeder.
    «Diese Viertel in der Innenstadt werden zum Glück auch bald verschwinden», fuhr der Senior fort, als sie auf den Brookskai einbogen, «wie die uralten klapperigen Fachwerkbauten hier im Hafen. Die Leute dort leben wirklich ungesund, das sollte in einer wohlhabenden Stadt wie der unseren längst der Vergangenheit angehören.»
    «Diese Elendslöcher müssen in der Tat rasch verschwinden, die können für uns alle teuer werden. Die verdammte Cholera hat viel zu viel gekostet. Allein die wochenlange Hafensperre, die vielen Bankrotte. Aber nun kann man nach vorne schauen. Sind erst die faulenden Quartiere weg, kann die Stadt endlich nach den Erfordernissen unserer Zeit gestaltet werden. Wenn wir mithalten und unsere Position an der Weltspitze weiter ausbauen wollen, ist das überfällig.»
    Friedrich klopfte seinem Sohn schmunzelnd und mit wohlwollendem Stolz auf die Schulter. «Du solltest für den Senat kandidieren, wenigstens für die Bürgerschaft. Du bist wahrlich ein überzeugender Redner.»
    «Danke, zu viel der Ehre. Ich bleibe lieber in unserer Welt. Die finde ich interessanter. Da tut sich ständig Neues. Der Hafen wird noch über viele Jahre ausgebaut, und dieser flottenvernarrte Kaiser ist für uns ein Segen. Und die Stadt – spätestens in zehn Jahren wird auch die City völlig anders aussehen. Ein Bild von Wohlstand und hanseatischer Gediegenheit: mit Boulevards und eleganten Kontorhäusern mit Paternostern, elektrischen Lichtanlagen für jeden Raum, Telefonen, Rohrpost und Dampfheizung. Helle Räume, auch sehr repräsentativ, schon die Treppenhäuser werden … verzeih, Vater, all das weißt du so gut wie ich. Ich habe gestern nur Pläne für eines dieser neuen Kontorhäuser nach dem Prinzip des Dovenhofs gesehen. Ich bin wirklich beeindruckt.»
    Der Dovenhof stand seit fast einem Jahrzehnt nur wenige Schritte von den Brücken zum Freihafen entfernt. Zehn Häuser waren für den stolzen Bau abgerissen worden, sechzig Mieter teilten sich die Kontore und Warenlager, im Parterre waren zwei Restaurants eingerichtet. Der Dovenhof galt als Vorbild moderner, effektiv arbeitender Handelskontore weit über Hamburg hinaus. Allen Unkenrufen zum Trotz erzielten die Bauherren sogar guten Gewinn.
    «Ich denke wirklich», fuhr Ernst mit ungewohntem Eifer fort, «wir sollten überlegen, ob wir mit unserem Kontor in ein solches Gebäude umziehen. In unserem wird es schon wieder zu eng. Kaum jemand hat noch das Hauptkontor im Speicher. Ich finde sogar, wir sollten uns an einem solchen Haus als Bauherren beteiligen. Ich könnte es mal durchrechnen lassen. Es wird in jedem Fall ein profitables Unternehmen.»
    «Du überraschst mich. Gerade wegen der neuen Speicher, wegen des ganzen neuen Hafens haben wir unser Kontor hierher verlegt. Kürzlich erst …»
    «Vor sieben Jahren, Vater, nicht mehr neu und nicht kürzlich. Verzeih, wenn ich widerspreche. Siebeneinhalb Jahre, genau genommen. Das ist schon eine recht lange Zeit. Die Uhren gehen schneller heutzutage.»
    Friedrich Grootmann trat zur Seite, um einem

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