Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
aus. Elektrische Lampen, immerhin. Nahezu der gesamte neue Hafen war nun elektrifiziert, wie man es nannte: Straßenlaternen, beleuchtete Kais und Lagerhallen.
Hier wurde die Nacht nicht wirklich zum Tag, wie gern behauptet wurde, aber es gab mehr Helligkeit als mit dem bewährten Petroleum- oder Gaslicht, von Kerzen gar nicht erst zu reden. Auch in der dunklen Jahreshälfte konnte weit in den Abend hinein gearbeitet werden, sogar auf den Kais und in den Schuppen. Notfalls die ganze Nacht hindurch.
«Herr Grootmann? Pardon.» Das energische Räuspern ließ ihn erkennen, dass er ein vorausgegangenes vage gehört, aber nicht zur Kenntnis genommen hatte. Er wurde nachlässig. Und er gab diffusen Empfindungen mehr nach, als gut war. Im Umdrehen wischte er die Gedanken fort wie Spinnweben. Blessings fragender Blick verriet eine Spur Besorgnis. Das stand ihm nicht zu, seine Miene wechselte rasch wieder ins Ausdruckslose.
«Ich habe Sie nicht bemerkt», erklärte Grootmann leichthin. «Nehmen Sie Platz, Blessing. Wir müssen heute über die neuen Verträge mit Lloyd’s sprechen und am besten auch gleich entscheiden. Wo ist mein Sohn? Ohne ihn sollten wir nicht anfangen.»
«Nein, natürlich nicht. Er ist in den Kakaospeicher gerufen worden und wird so bald wie möglich zurück sein.»
Grootmann nickte. Der Kakaospeicher war Ernsts Revier. Vor einigen Jahren hatte er beharrlich gegen die Bedenken seines Vaters und des alten, in so entscheidenden Fragen stets hinzugezogenen Kontorleiters argumentiert und endlich durchgesetzt, dass Grootmann & Sohn sich erheblich stärker als bis dahin im Kakaohandel engagierten. Ernst hatte ihn damals nur halb überzeugt, aber die Entscheidung hatte sich als richtig erwiesen.
Hätte Blessing in jenem Jahr schon zum Unternehmen gehört, wäre er ohne jedes Wenn und Aber auf der Seite des jüngeren Grootmann gewesen. Kakao war ein vielversprechendes Produkt, es verlor rapide seinen Status als Luxusgut, immer mehr Leute konnten und wollten es sich leisten.
«Draußen wartet ein Besucher», fuhr Blessing fort. «Ich dachte, ich melde ihn besser selbst an. Es ist dieser Kriminalkommissar, Herr Ekhoff. Er wartet schon eine Stunde. Wenn Sie erlauben – sicher wäre es im Sinne des raschen Fortgangs seiner und unserer Arbeit, wenn Sie ihn gleich empfangen könnten.»
«Treffend gesagt.» Friedrich Grootmann rieb sich die Nase, um ein Lächeln zu verbergen. Felix hatte einmal angemerkt, Blessing sei ein Wortdrechsler, bei so einem müsse man immer genau hinhören und auch sonst achtsam sein. Das hatte er übertrieben gefunden. Blessing konnte auch heiter und unbefangen reden, im Kontor war er jedoch stets darauf bedacht, Respekt zu zeigen und die richtige Distanz zu seinen Dienstherren zu wahren. Blessing war einer dieser jungen Männer, die für die Zukunft standen. «Wirklich treffend», wiederholte er, «gleich herein mit ihm. Und schicken Sie nun doch nach meinem Sohn.»
Kriminalkommissar Ekhoff war blass, als er den Raum betrat. Das Büro der Chefs war durch eine verglaste Wand vom großen Raum der Commis an ihren Schreibpulten getrennt. Alle hatten Ekhoff nachgesehen, als er zwischen den Pulten hindurchging und die Tür zum Chefbüro hinter sich schloss. Da gleich darauf Blessing herauskam, beugten sich alle Köpfe wieder über ihre Arbeit. In diesem Raum wurde immer konzentriert gearbeitet, wenn etwas zu besprechen oder zu fragen war, geschah das mit gedämpfter Stimme. Man hörte Papier rascheln, Federn kratzen, jemand räusperte sich verhalten. Das Telefon war in einem abgedichteten Kabuff angebracht, mehr ein Verschlag, gerade groß genug für einen Mann und ein schmales Stehpult. Lärmende Geschäftigkeit herrschte nur auf den Kais, den Straßen, auf den Fleeten. Jetzt allerdings war es besonders still. Als bemühe sich jeder, nur ganz verhalten zu atmen, um ein paar Worte aufzuschnappen.
Die beiden Männer hinter den Glasscheiben saßen am Besuchertisch auf den Stühlen mit den dicken Lederpolstern, beide ein Glas Wasser vor sich.
Ekhoff saß sehr gerade. Für gewöhnlich war seine Stimme klar und voll, heute war es anders, aus dem Raum hinter dem Glas drang kaum Gemurmel. Blessing konnte besser verstehen. Als erster Mann in diesem Kontor stand sein Tisch der Tür zum Chefzimmer am nächsten, und sein Stuhl stand heute näher an der Trennwand als gewöhnlich, aber auch er hatte den Kopf über seine Arbeit gebeugt. Seine Feder blieb dennoch unberührt auf der Ablage, die Mappe,
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