Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
nur mit seinen tüchtigen und erfolgreichen Söhnen fühlte er sich als Mann mit Zukunft. Ein Mann mit Stärke und Bedeutung. Nicht einmal diesen Gedanken würde er sich so ungeschminkt erlauben, trotzdem entsprach es der Wahrheit.
«Dann will ich euch zuerst die Kurzfassung geben. Wenn nicht irgendwo Unerwartetes auftaucht, ein paar wohl zu vernachlässigende Anfragen laufen noch, habe ich Sophus’ Finanzen jetzt geordnet und einen Überblick gewonnen.»
Friedrich Grootmann ließ Messer und Gabel sinken. «Und?» Er lachte. «War der gute alte Sophus bankrott und Hetty muss sich nun als Vorleserin verdingen?»
«Das kann man so sagen, ja.»
Schweigen am Tisch. Ernst und Friedrich starrten ihren Bruder und Sohn nur an.
Der Kellner wollte gerade Wein nachschenken, er bog mit elegantem Schwung zwei Schritte vor ihrem Tisch in die entgegengesetzte Richtung ab. Er roch stets von weitem, ob es angebracht, sogar erwünscht war, dass er ‹störte› oder gerade nicht.
«Bankrott», konstatierte Ernst schließlich, mehr geflüstert als gesprochen, was bei diesem Damoklesschwert-Wort kein Wunder war. «Richtig bankrott?»
«Das ist nicht ganz das passende Wort, er betrieb ja kein Unternehmen. Pleite passt hier besser, denke ich. Wenn die Prüfung abgeschlossen ist, werde ich euch alles im Detail vorlegen. Womöglich geschieht bis dahin noch ein kleines Wunder. Heute also nur ein grober Überblick, damit ihr euch daran gewöhnen könnt.»
«Warum gewöhnen? Wir können uns ohnedies höchstens als Verwalter des Mangels antragen», wandte Ernst ein. «Ist nicht alles Henriettas Erbe? Es gibt sonst keine Verwandten, bloß uns angeheiratete. Wann wird eigentlich das Testament eröffnet?»
«Sobald es Hetty gut genug geht. Aber vergiss nicht, das Testament ist bei uns in der Kanzlei beglaubigt und hinterlegt. Ich habe damals abgelehnt, es zu betreuen, unter Verwandten ist das immer delikat, Dr. Schön hat es für Sophus gemacht. Er hatte sich zuvor mit mir beraten, das war Sophus sehr recht gewesen, also weiß ich, was drinsteht. Es ist schon einige Jahre her, hätte er inzwischen eine Änderung vorgenommen, wäre mir auch das kaum entgangen. Hetty ist die Erbin, ja, ein nur bescheidenes Legat sollte es für die Lindner geben, sie war ja noch nicht lange bei ihm.»
Einige Stücke wie das Schachspiel mit den Onyx-Figuren oder bestimmte alte Bücher seien für Freunde bestimmt, auch eines der kleineren alten Bilder. Lauter Dinge mit reinem Erinnerungswert.
«Wenn ich es richtig im Kopf habe, geht das Schachspiel an den Professor am Altonaer Gymnasium. Das Bild ist für den alten Birkheim, den Bildhauer, ihr werdet euch erinnern.»
Friedrich Grootmann nickte. «Der Mann mit dem weißen Rübezahlbart. Sophus fühlte sich ihm besonders verbunden.»
«Ja. Er kennt sich auf der Elbe aus wie kaum ein Zweiter, sogar bei Nebel. Das hat Sophus bewundert, er selbst fand ja immer, Wasser habe keine Balken, sei also hübsch anzusehen, ansonsten weitgehend zu meiden.»
Friedrich Grootmann lächelte. Sophus war in so vielem anders gewesen. «Und das Gemälde? Weißt du, welches es ist? Von welchem Maler?»
Felix schüttelte den Kopf. «Der Name war mir nicht geläufig, ich verstehe nun mal nichts von Kunst. Jedenfalls war es weder Dürer noch Leonardo. An seinen Hausarzt gehen einige der alten Bücher, die haben auf Auktionen ihren Wert, der bleibt aber ebenfalls im Rahmen. Ihr solltet übrigens weiteressen, kaltes Ragout schmeckt scheußlich. Ich habe heute keinen rechten Hunger.»
Er strich über seine Weste, unauffällig, womöglich hatte er es selbst nicht bemerkt. Sein Vater sah es. Felix hatte wieder Magenbeschwerden, was bei einem so jungen Mann als Warnzeichen verstanden werden musste. Nun war nicht die Situation, ihn daran zu erinnern.
«Du solltest Salbeitee trinken», bemerkte aber Ernst leichthin, «und für einige Zeit zugunsten einer Schale Porridge auf geräucherten Fisch und Zigarren verzichten. Also, was ist nun mit Sophus’ Besitz passiert?»
«Er hatte ziemlich sichere Beteiligungen und ertragreiche Rentenpapiere, er hat sich gut beraten lassen und …»
«Sieh an. Drei Grootmanns an einem Tisch, das sieht mir nach Konspiration aus. Eure Gesichter lassen nichts Gutes ahnen.»
Emma Grootmann stand, eine Hand an der Hüfte, die andere am Kinn, an die Trennwand zum nächsten Tisch gelehnt. Ihr Kleid war heute mauvefarben, ein matter Ton, den sie weder mochte noch kleidsam fand, der jedoch als Zugeständnis
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