Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
kam kein Räuspern von der Bank. Die Stille war greifbar. Selbst die Möwen flogen lautlos mit dem Wind.
«Ich weiß», sagte Ekhoff vorsichtig, «das klingt nach Unterstellung.» Was in den Kneipen und Logierhäusern am Hafen, in den Gängen oder in den Siedlungen der Arbeiter als normale Fragen bei der Klärung eines Verbrechens galten, geriet hier zum Gang über dünnes Eis. Als wären alle, die hier lebten, bessere Menschen. «So ist es nicht gemeint, es ist aber in Betracht zu ziehen.»
«Doch. So ist es gemeint.» Ihr Blick wurde ausdruckslos, Ekhoff wusste ihn nicht zu deuten. Sie sah nun sehr erwachsen aus. «Bevor ich auf Ihre Fragen antworten kann, müssen Sie mir erklären, was Sie wissen. Sagen Sie mir, was geschehen ist und was Sie bisher herausgefunden haben. Alles und ohne Rücksicht auf mögliche Empfindlichkeiten. Vielleicht fällt mir dann doch etwas ein, dem ich bisher keine Bedeutung beigemessen oder das ich vergessen habe. Man hat mir einiges erzählt, ich fürchte nur, ich habe alles durcheinandergebracht. Oder nicht verstanden. Was ist das für ein Haus, in dem er gewohnt hat? Und wer ist Mr. – wie heißt er? Mr. Haggerty?»
«Haggelow, Frau Winfield, James Haggelow aus Newcastle. Wir wissen nichts über ihn. Diesseits und jenseits des Kanals nichts. Angeblich ist er Kaufmann. Ihr Gatte hat sich unter dem Namen Haggelow in der Pension eingemietet, als Beruf hat er Kaufmann angegeben. Vielleicht ein Freund?» Oder eine zweite Identität?, hätte er gerne hinzugefügt, es lag ihm auf der Zunge, aber dazu war es zu früh. «Oder ein Geschäftspartner? Ich hatte gehofft, Sie kennen den Namen und die dazugehörige Person. Niemand kannte Mr. Winfield besser als Sie.»
«Glauben Sie? Ich bin mir nicht mehr so sicher. Den Namen Haggelow habe ich nie zuvor gehört.»
Dienstag, mittags
Wenn es um Geschäftliches ging, erwartete Felix Grootmann seinen Vater und seinen Bruder in seinem Büro in der Kanzlei oder, wenn es Zeit und Terminkalender erlaubten, in einem seiner Lieblingsrestaurants. Bei letzteren bevorzugte er den Austernkeller von Streit’s Hotel am Jungfernstieg. Dort standen die Tische in halboffenen Séparées, kaum diskret genug für die Pflege unpassender Affären, genau richtig für Gespräche im kleinen Kreis.
Die Austernsaison hatte noch nicht begonnen, das störte die Grootmanns nicht, keiner der drei teilte die allgemeine Begeisterung für die glibberigen Muscheltiere. Natürlich aß man Austern in Gesellschaft, wobei stets zu hoffen war, dass von den teuren Sorten serviert wurde, die aus reinen Gewässern stammten. Erst kürzlich war aus London die Nachricht gekommen, nach Banketten seien Gäste nach dem Verzehr frischer Austern gestorben. Durch die rasante Zunahme großer Fabriken, die Schmutz und Abwässer in die Flüsse leiteten, wurden insbesondere die Muschelarten vergiftet, denn die nahmen wie Filter alles auf, was im Wasser ungesund war.
Felix hatte ein leichtes Essen vorbestellen lassen, ein Frühstück, wie man das Essen zur Mittagszeit in Hamburg nannte. Als Vorspeise wurde kalte Lachsforelle mit Gurkensalat serviert, dann Kükenragout mit Champignons, als Hauptgang Rehsteaks mit gebackenen Bananen und Schmorkartoffeln. Zum Dessert Aprikosensorbet mit Weinschaum, zum Abschluss Kaffee mit Sahne, für Ernst Ceylon-Tee mit weißem Kandis.
Nach einem ungeschriebenen Gesetz wurde bei ihren Treffen mit ernstem Anlass erst beim Hauptgang davon gesprochen. Diese Regel wurde heute unterlaufen. Als der Kellner das Kükenragout serviert, von dem leichten Weißwein nachgeschenkt hatte und endlich mit der üblichen Verbeugung verschwunden war, lehnte Ernst sich zurück.
«Machen wir kein Mysterium daraus, Felix. Ich müsste mich sehr irren, wenn es hier nicht um Henriettas Vermögensverhältnisse geht. Befriedige unsere Neugier vor dem Hauptgang, das Thema betrifft uns alle nur indirekt, es wird uns den Appetit kaum verderben. Wenn du erlaubst, Vater. Ich denke, es ist auch in deinem Sinne.»
«Unbedingt.» Friedrich Grootmann nahm einen Schluck Wein, ein frischer heller Riesling, den er wie immer zu dieser Tageszeit mit Tafelwasser vermischt trank. «Ich lasse mir das Küken schmecken und höre zu. Fang an, Felix.»
Er war milder und zugleich froher Stimmung. Hetty ging es besser, das war großartig, er hatte sich sehr gesorgt. Auch genoss er es, mit seinen beiden Söhnen in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Auf die Frauen seiner Familie war er ebenfalls stolz, doch
Weitere Kostenlose Bücher