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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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… Du redest mit honigsüßer Zunge, du Christ.«
    »In dem Land, das dich aufgenommen hat, gelten Gesetze, und es gibt Gerichte. Hier muß ein Mann nicht selbst Vergeltung suchen für sich und seine Familie. Das bewerkstelligen die Gesetze und Richter. Der Mord an deiner Frau hätte vor die Richter gebracht werden müssen, damit diejenigen, die die Untat verübt haben, bestraft werden. Das ist nicht geschehen. Inzwischen ist viel Zeit vergangen, doch zu spät ist es nicht. Ist dieser Mann am Baum da verantwortlich für die Tat, schaffen wir ihn nach Cashel. Dort wird er vor Gericht gestellt, und wenn die Richter ihn schuldig sprechen, wird das Urteil im ganzen Land verkündet … Das ist Gerechtigkeit und Vergeltung zugleich.«
    »Und dann? Darf ich ihn dann erschlagen?«
    »Strafen dieser Art gibt es hier nicht, wir ahnden Untaten anders, aber härter.«
    »Was kann härter sein, als der Göttin Hel überantwortet und von ihr in eine Welt ewiger Finsternis und immerwährender Pein gezerrt zu werden?«
    »Was ist schmerzlicher, als mit einer Schuld zu leben, die jedermann kennt? Als mit dem Bewußtsein dessen zu leben, was du getan hast, und jeden wachen Moment bemüht zu sein, denjenigen Sühne zu leisten, denen du geschadet hast?«
    Aufmerksam hatte Ordwulf ihm zugehört, nun schüttelte er bedächtig den Kopf. »Das ist für einen wie mich keine Bestrafung. Gestern hat der Monat Solmanath begonnen, der ist Sjofn, unserer Göttin der Liebe, heilig. Es ist der Monat, in dem Aelgifu und ich uns kennenlernten und in dem wir geheiratet haben. Ich habe gestern beim ersten SonnenstrahlBackwerk am Fuß einer Eiche niedergelegt und den Göttern geopfert. In wenigen Tagen wird das Fest Valis, des Rachegottes, gefeiert. Bis dahin, so habe ich geschworen, wird der Dreckskerl tot sein« – er wies auf Bruder Drón, der, an den Baumstamm gekettet, fortwährend stöhnte und wimmerte –, »oder ich werde gestorben sein. Ihn wird Hel in die Arme nehmen, ich ziehe ein in die Walhalla der Helden und werde mit Wodan schmausen und zechen. Kein Wort mehr, Bruder Angelsachse, kein Wort weiter.«
    Entschlossen packte der Alte seine Streitaxt.
    »Schau her, Junge«, rief er Berrihert zu, »und merk es dir gut, was sich für einen Krieger geziemt, wenn sich jemand an seiner Mutter vergreift. Ich tue es für dich, meine Liebe, meine Aelgifu, für dich …«
    Er hob die große Streitaxt hoch über den Kopf.
    Bruder Drón kreischte los.
    Gebannt schauten alle zu, standen wie angewurzelt, gelähmt von der schrecklichen Unausweichlichkeit der Tat, die sich vor ihnen vollziehen würde.
    Wie urplötzlich von etwas überrascht, riß Ordwulf die Augen weit auf, Schmerz verzerrte sein Gesicht. Er rang nach Luft, stolperte nach vorn und sank auf die Knie. Die Streitaxt fiel auf die Erde.
    Regungslos starrten alle auf das entsetzliche Geschehen, das sich vor ihren Augen abspielte.
    Der Alte atmete stoßweise, ein Zittern überfiel ihn. Eadulf wollte zu ihm, wollte ihm beistehen. Doch Schmerz und Wut blitzten ihm aus den Augen des alten Mannes entgegen. »Nein!« brüllte er. Alle Farbe wich aus seinen Zügen. Mühsam richtete er sich auf und lehnte sich zurück auf die Fersen. Mit den Augen suchte er den jungen Mann neben Eadulf. »Berrihert … mein Sohn …«
    Wie blind tastete der Krieger nach seiner Streitaxt, konnte sie nicht erreichen und rief flehentlich nach seinem Sohn.
    Bruder Berrihert schluckte heftig, ging zu seinem Vater, bückte sich, nahm die Axt auf und drückte sie ihm in die zitternden Hände.
    Mit Tränen in den Augen schaute der Alte hoch und lächelte mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Danke, mein Sohn.«
    Berrihert nickte, trat zurück und stellte sich neben Eadulf, der als einziger ahnte, was geschehen würde. Fidelma war sich unsicher, ob sie jetzt nicht doch Caol vorschicken sollte, damit er dem Alten die Axt entriß, aber Eadulf wußte es zu verhindern.
    Ordwulf stützte sich mit erstaunlicher Kraft auf die Axt, kam taumelnd auf die Füße und schöpfte etliche Male tief Atem.
    »So schnell«, keuchte er. »Ich nehme es hin. Es ist Zeit.«
    Leidenschaftlich riß er die Streitaxt hoch, stieß sie nach oben, legte den Kopf zurück und richtete den Blick gen Himmel.
    Ein letzter, lang hingezogener Ruf entrang sich seiner Brust und setzte sich in dem engen Tal als Echo fort: »Wodan!«
    Dann sank er ins grüne Gras neben der Quelle nieder. Die Streitaxt, die ihm entglitten war, lag an seiner Seite.
    Eadulf sprang hinzu, hatte

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