Ein Gebet für die Verdammten
Primas des Glaubens über alle fünf Königreiche herrschen. Abt Augaire von Conga ist einer der vielen Äbte und Bischöfe, die sich dieser Anmaßung widersetzen.«
Der König wandte sich mit sorgenvollem Gesicht an seinen Brehon. »Gibt es eine Möglichkeit, Abt Ultán von der feierlichen Trauung morgen auszuschließen? Ich fürchte, wir werden genug Probleme haben und müßten Ultán nicht noch Gelegenheit geben, in aller Öffentlichkeit Einspruch zu erheben.«
Brehon Baithen wechselte einen Blick mit Abt Ségdae. »Rechtlich ließe sich das nicht begründen«, erläuterte er. »Dem Abt steht es nach dem Gesetz zu, seine Einwände gegen die Ehe vorzubringen. Wir kommen nicht umhin, anzuerkennen, daß er der Sendbote der Abtei Ard Macha ist, die über großen Einfluß verfügt. Jede Unhöflichkeit Abt Ultán gegenüber kann als Beleidigung Blathmacs, des Königs von Ulaidh, ausgelegt werden, denn in seinem Königreich ist Ard Macha das Hauptkloster.«
Colgú trommelte einen Moment mit den Fingern auf der Armlehne seines Sessels. »Es sollte ein Fest der Einmütigkeit und Heiterkeit werden«, sagte er mehr zu sich selbst. »Kö nige , Adlige und viele Edelleute sind als unsere Gäste gekommen, um der Zeremonie beizuwohnen. Sogar die Uí Fidgente sind hier. Allein das ist ein Zeichen der Hochachtung, die dem diplomatischen Geschick meiner Schwester gilt, Wunden geheilt zu haben, die in der Schlacht von Cnoc Áine geschlagen wurden. Daß Zwietracht, die ein übereifriger Prälat sät, der von außerhalb unseres Königreichs kommt, nun diesen Tag verderben soll …« Er endete mit hilflosem Kopfschütteln.
Nicht gleich wußte jemand darauf zu antworten. Dann räusperte sich Brehon Baithen. »Ich möchte einen Vorschlag machen.«
Erwartungsvoll sahen ihn alle an. Im Gesicht des Richters arbeitete es, als wüßte er nicht recht, wie er fortfahren sollte.
»Die Einwände dieses Abts Ultán gründen sich offensichtlich ausschließlich darauf, daß Lady Fidelma das Gelübde abgelegt hat, dem Glauben als fromme Schwester zu dienen. So ist es doch?«
»Allem Anschein nach, ja«, bestätigte Abt Ségdae. »Und wir werden nicht müde, darzulegen, daß nicht einmal in Romden Glaubensbrüdern und -schwestern Ehebeschränkungen auferlegt werden. Die Vorstellung, daß alle, die dem Glauben dienen, zölibatär leben müssen, ist einzig und allein in den Köpfen einer besonderen Gruppe von Philosophen entstanden.«
»Jeder Streit wäre im Keime erstickt, wenn Lady Fidelma ihr Gelübde einfach widerriefe. Du, Ségdae, könntest sie als oberster Abt und Bischof des Königreichs, davon entbinden. Seit Fidelma die Abtei Cill Dara verließ, hat sie nicht mehr in einer klösterlichen Gemeinschaft gelebt. Und das muß sie auch nicht. Sie folgt ihrer Berufung als Anwältin unserer Gesetze, und die hat Vorrang.«
Fidelma beugte sich auf ihrem Stuhl leicht vor und erwiderte entschieden: »Das würde doch bedeuten, daß Ultáns Vorhaltungen rechtens sind – Mönche und Nonnen dürfen nicht heiraten. In die Abtei Cill Dara bin ich nur eingetreten, weil mein Vetter, Abt Laisran, mir das nahelegte. Nonne im eigentlichen Sinn bin ich nie gewesen, und das ist weithin bekannt. Ich bin nicht gewillt, mich von meinem Gelübde zu lösen, wenn keine Notwendigkeit dazu besteht. Es gibt keine bindende Vorschrift, die mich dazu zwingt. Warum sollte ich also? Nein«, sagte sie mit Nachdruck und fuhr energisch fort: »Da Abt Ultán entschlossen ist, sich mit seinen Einwänden in den Vordergrund zu drängen und die Zeremonie in der Kapelle zu stören, müssen wir ihm entgegentreten und nicht versuchen, ihm auszuweichen.«
Abt Ségdae war sichtlich verstört. »Das geht einfach nicht. Dich mit Abt Ultán während der Trauung auf einen Disput einzulassen … Nein, das wäre höchst ungebührlich. Auch muß ich darauf hinweisen, daß ihm ein nicht zu unterschätzender Gelehrter zur Seite steht. Ich meine seinen Begleiter mit dem Habichtsgesicht, Bruder Drón. Ultán hat dieSchwäche, sich aufzuplustern und schwülstig daherzureden, wenn man seine Argumente mit Gegenargumenten entkräftet.«
»Eine derartige Debatte darf nicht während der Trauung stattfinden«, verkündete Colgú mit Bestimmtheit. »Ich verbiete das.«
Brehon Baithen rieb sich nachdenklich das Kinn. »Selbst wenn wir diese Frage mit ihm in kleinem Kreis debattierten und zu irgendeiner Einigung kämen, bezweifle ich, daß ihn das daran hindern könnte, während der Trauung aufzustehen
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