Ein Gebet für die Verdammten
traf ein vielsagender Blick – »… vor jedermann beschützt, der einem aufrechten Diener des wahren Glaubens Schaden zufügen will.«
Caol war zunächst etwas verdutzt, zuckte dann aber mit den Schultern und erklärte ergeben: »Wie vorhin schon gesagt, Dego wird dich zu deiner Unterkunft geleiten. Ich werde derweil Colgú deine Bitte übermitteln.« Er ging.
Dego machte sich an seine Aufgabe, überwachte das Abladen des Gepäcks und begleitete den Abt zu seiner Unterkunft, während ein weiterer Bediensteter sich um die mit dem Abt angereisten Gäste kümmerte.
Abt Augaire verharrte einige Augenblicke auf dem Hof und sah sinnend Abt Ultán nach, selbst als der schon in einem der Eingänge zum Hauptgebäude verschwunden war. Daß Eadulf und Bruder Conchobhar ihn beobachteten, merkte er nicht. Sein Gesichtsausdruck war bekümmert. Schließlich wandte er sich mit einem Kopfschütteln zum Gehen.
»Wie ist das alles zu verstehen?« fragte Eadulf.
Bruder Conchobhar schürzte die Lippen. »Hast du nie etwas von Abt Ultán gehört?«
»Mir ist, als wäre mir sein Name erst vor kurzem untergekommen«, überlegte Eadulf. »Ah ja, jetzt fällt es mir wiederein: Er wollte sich hierherbemühen, um Einspruch gegen unsere Hochzeit zu erheben.«
»Begegnet bin ich ihm noch nie, aber ich habe etliche Geschichten über ihn gehört, und zu seinem Vorteil sind sie alle nicht. Ich würde meinen, in der Gesellschaft von Heiligen hat er nichts zu suchen. Hüte dich vor ihm«, warnte Conchobhar Eadulf mit ernstem Gesicht. »Abt Ultán ist von Ehrgeiz besessen, er giert nach Macht.«
»Ultán? Wer spricht hier von Ultán?«
Eadulf drehte sich um. Auf den Stufen hinter ihm stand Bruder Berrihert und lächelte ihn warmherzig an.
»Da bist du also. Schön. Das hier ist Bruder Conchobhar.«
Bruder Berrihert begrüßte den alten Mann mit einem kurzen Kopfnicken, wandte sich aber sofort wieder Eadulf zu. »Der Name Ultán ist gefallen. Ging es um Abt Ultán von Cill Ria?«
»Um eben den«, bestätigte Eadulf. Der Tonfall des jungen Angelsachsen mißfiel ihm, doch gleich darauf erinnerte er sich daran, daß es Berrihert war, aus dessen Mund er zum ersten Mal den Namen des Abts gehört hatte.
»Ist er hier?«
»Ja, und angeblich will er Einspruch gegen meine Hochzeit erheben.«
Berrihert holte tief Luft. Er rang deutlich mit sich und sagte schließlich langsam: »Ich muß dich anstandshalber warnen, Eadulf. Sorge dafür, daß sich seine und meine Wege oder die meiner Brüder nicht kreuzen, sonst fürchte ich das Schlimmste.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Einer von uns könnte ihn leicht umbringen«, erwiderte der junge Mann scharf. Mit diesen Worten machte er kehrt. Fassungslos starrte ihm Eadulf nach.
Auch Bruder Conchobhar sah ihm gedankenvoll hinterher.
»Der Bekanntenkreis von Bischof Ultán wird offensichtlich immer größer«, stellte er sachlich fest.
»Ich verstehe das nicht«, wiederholte Eadulf. »Erst gestern hat mir Bruder Berrihert erzählt, wie dieser Abt Ultán die Gemeinde, in der er und seine Brüder auf Inis Bó Finne in frommer Eintracht lebten, spaltete und wie sie dann auf der Suche nach Unabhängigkeit und Frieden südwärts zogen. Davon, daß es auch etwas gab, das zu tödlichem Haß gegenüber Ultán führte, hat er keinen Ton gesagt.«
»Die Gefühlswelt der Menschen ist sonderbar, angelsächsischer Freund. Du weißt das besser als jeder andere. Du bist auf viele Gewalttaten gestoßen bei deinen Nachforschungen mit Lady Fidelma. Was den einen erbost, amüsiert den anderen. Was dem einen Schaden zufügt, bringt dem anderen Gewinn. Die Kränkung, die dein Freund erfahren hat, mag dir nicht der Rede wert erscheinen, für ihn aber alle Welt bedeuten.« Aufmunternd klopfte Bruder Conchobhar Eadulf auf die Schulter. »Um einer Sache willen zumindest solltest du Abt Ultán für sein Erscheinen hier dankbar sein.«
Verständnislos blickte Eadulf ihn an.
»Seine Ankunft hat dich deine eigenen Sorgen, wie du den ganzen Rummel morgen überstehen sollst, vergessen lassen. Du wirst völlig damit beschäftigt sein, Abt Ultán zu beobachten, wirst die ganze Zeit auf das Ärgernis warten, das er mit Sicherheit heraufbeschwören wird.«
KAPITEL 4
Im Wohngemach von Colgú, dem König von Muman, hatte sich an dem Abend eine Gruppe in gedrückter Stimmung eingefunden. Der gutaussehende, rothaarige König saß lässig in dem mit Schnitzwerk verzierten Armsessel aus Eichenholz und schaute verdrossen ins Kaminfeuer.
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