Ein Gebet für die Verdammten
kann nur hoffen, daß er deswegen keine Scherereien bekommt.«
»Mein Bruder hat die volle Verantwortung übernommen.«
»Habe ich dir eigentlich erzählt, daß Bruder Berrihert gedroht hat, Ultán umzubringen, und das in meiner und Conchobhars Gegenwart?«
»Ja, hast du. Aber der Mord hat sich ereignet, während dieBurgtore die Nacht über geschlossen waren. Jedenfalls hat mir Caol das versichert. Deine angelsächsischen Freunde sind in einer der Herbergen in der Stadt untergebracht, man hätte sie nicht mehr eingelassen, nachdem die Tore geschlossen waren.«
Wieder schwiegen sie eine Weile. »Demnach bleibt alles in der Schwebe, bis der Fall bereinigt ist?«
Fidelma nickte, ging ans Fenster und schaute hinunter auf die wenigen Laternen und Lichter, die vom Ort zu sehen waren.
»Mir tun all die Leute leid, die zum
aenach
zusammengekommen sind.«
»Den Jahrmarkt könnte man doch trotzdem abhalten. Das würde die Leute bei Laune halten und uns hier in der Burg nicht stören.«
Fidelma hatte ihre Bedenken. »Abt Ségdae wird bestimmt sagen, daß sich so etwas nicht gehöre, solange ein Abt und Bischof des Neuen Glaubens ermordet daliegt und der Täter nicht gefaßt ist.«
Eadulf schnitt eine Grimasse. »Dachte ich mir schon. Obwohl es hier nur wenige geben dürfte, denen sein Ableben zu Herzen geht. Ein jeder haßte ihn, wie es schien.«
»Wir können uns zwar nicht überschlagen, doch je früher wir anfangen, um so eher sind wir fertig«, meinte sie.
»Und wo beginnen wir?« fragte Eadulf und kleidete sich weiter an.
»Wie üblich müssen wir uns zuerst die Leiche ansehen und Näheres über die Todesursache erfahren. Bruder Conchobhar soll den Abt bereits untersucht haben. Danach muß man sich anhören, was Muirchertach Nár zu sagen hat.« Sie ging zur Tür, drehte sich um und schaute Eadulf an. »Muirchertach Nár ist immerhin ein König, und da …«
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fiel ihr Eadulf ins Wort: »… wäre es besser, wenn du ihn allein aufsuchst. Es könnte ja sein, daß …« Er unterbrach sich einen Augenblick, suchte nach dem passenden Wort und entschied sich für
cubaid
. »Es könnte als ungehörig empfunden werden, wenn ich dabei wäre, es sei denn, er wünscht es ausdrücklich.«
Fidelma bedachte ihn mit einem dankbaren Lächeln für sein Feingefühl und diplomatisches Gespür.
Es war immer noch dunkel, als sie über den mit Kopfsteinen gepflasterten Burghof gingen. Doch im Apothekenraum brannte ein Licht. Fidelma klopfte sacht an, faßte den Griff und stieß die schwere Tür auf. Scharfer Geruch von Kräutern und Trockenblumen stieg ihr in die Nase, so daß sie nur mit Mühe ein Niesen unterdrücken konnte.
Der Raum wurde von einer Laterne schwach erhellt. Bruder Conchobhar blickte von seinem Arbeitstisch auf und hieß sie freundlich willkommen. Er war dabei, in einer Schale eine Mixtur anzufertigen.
»Ich habe dich schon erwartet, Lady«, sagte er einfach. »Bist du Ankläger oder Richter?«
»Weder – noch«, entgegnete Fidelma. »Der Oberste Brehon der Fünf Königreiche, Barrán persönlich, wird auf dem Richterstuhl sitzen. Der Angeklagte hat verlangt, daß ich ihn verteidige.«
»Da hast du eine schlimme Gratwanderung vor dir, Lady.« Bruder Conchobhar zog eine Grimasse. »Ich danke Gott, daß ich mit derart heiklen Dingen nichts zu tun habe. Muß ganz schön schwierig sein, jemanden zu verteidigen, wenn er die Tat vor Augenzeugen verübt hat.«
»Mein weiser Lehrer Brehon Morann hat mir eingeprägt: ›Bilde dir nie ein Urteil, bevor du nicht beide Parteien gehört hast.‹«
»Ein kluger Spruch«, sagte der Apotheker und sah zu Eadulf hinüber. »Ihr beschäftigt euch wohl beide mit dem Fall?«
»So ist es«, antwortete ihm Eadulf. »Wir haben gehört, daß man dich gebeten hat, den Leichnam des Abts zu untersuchen.«
Scheinbar zerstreut nickte Bruder Conchobhar. »Wollte ich mich wie vor Gericht ausdrücken, müßte ich sagen: Ich wurde aufgefordert, eine Leiche zu untersuchen. Daß es Abt Ultán war, erkannte ich, als ich den Toten sah. Man hatte es mir vorher nicht mitgeteilt.«
Fidelma mußte leise lächeln. »Du denkst bereits in der Sprache des Rechtswesens, mein lieber alter Freund. Wo befindet sich der Leichnam jetzt?«
»Liegt noch am Ort des Geschehens. Brehon Baithen hat angeordnet, daß alles unberührt bleiben soll, bis du selbst deine Untersuchungen vorgenommen hast. Baithen ist ein umsichtiger Richter, nicht so einer wie …« Bruder
Weitere Kostenlose Bücher