Ein Gebet für die Verdammten
König von Connacht verteidigen. Wer wird der Ankläger sein?«
In dem Augenblick klopfte es an der Tür, und sie wurde von einem der Wachhabenden weit geöffnet. Ein großgewachsener Mann unbestimmbaren Alters trat ein. Sein Gewand ließ auf einen hohen Würdenträger schließen. Er blieb mitten in dem Gemach stehen und deutete mit einem Verneigen des Kopfes seine Ehrerbietung vor König Colgú an. Selbstsicher schaute er sich um; die strahlenden Augen standen dicht an einer kräftigen Nase, dadurch wirkte sein Gesichtsausdruck streng. Doch als sein Blick auf Fidelma fiel, teilten sich die Lippen zu einem Lächeln und ersten Begrüßungsworten.
»Wie ich höre, hat sich dein guter Ruf noch sehr verfestigt, seit wir uns das letzte Mal in Ferna, im Königreich Laigin trafen, Fidelma von Cashel.«
»Ein Ruf, den ich nicht verdient habe, Barrán«, erwiderte sie. »Man redet immer nur über die wenigen Erfolge, die ich verbuchen kann, nie über meine Mißerfolge.«
Wohlwollend strahlte sie der Oberste Richter an. »Dein Erfolg in Ferna und bei unserer vorhergehenden Begegnung in Ros Aithir beweisen mehr als deutlich, daß du deinen Ruf verdienst. Allerdings habe ich nicht erwartet, dich schon zu treffen, bevor ich dir gratuliert habe, was ich nach deiner Eheschließung tun wollte.« Er schaute Colgú und Baithen an, die er bereits bei seiner Ankunft begrüßt hatte, und verzog den Mund. »Dein Bote hat mir von dem Vorfall berichtet.«
Colgú lud Barrán mit einer Handbewegung ein, in einem Armsessel Platz zu nehmen.
»Hat man dir auch berichtet, weshalb ich dich hierhergebeten habe?«
Barrán beantwortete die Frage mit einer Geste. »Du möchtest, daß ich den Vorsitz in der Verhandlung gegen Muirchertach Nár übernehme wegen der Ermordung des Abts Ultán von Cill Ria.«
»Genauso ist es.«
»Das nehme ich an, natürlich. Muirchertach Nár ist König von Connacht, und da ist es möglicherweise eine glückliche Fügung, daß ich aus Gründen hier bin, die mehr mit Politik als mit dem Rechtswesen zu tun haben.«
Colgú lächelte. »Das haben wir auch so empfunden, Barrán. Muirchertach Nár will von seinem Vorrecht Gebrauch machen, sich seinen Anwalt selbst zu wählen. Und er hat Fidelma gewählt.«
Barrán warf ihr einen Blick zu. »Hast du dich dazu schon geäußert?«
»Ich bin einverstanden, allerdings weiß Muirchertach Nár noch nichts davon«, erwiderte Fidelma.
»Auch das ist gut vom politischen Standpunkt aus, weil es Connacht betrifft. Und es ist auch gut unter dem Gesichtspunktdes Gerichtsverfahrens, soweit es Muirchertach Nár persönlich angeht, weil er sicher sein kann, daß ihm ein fähiger Anwalt zur Seite steht. Und wer wird die Anklage erheben?«
»Genau die Frage habe ich gestellt, bevor du hereinkamst«, sagte Fidelma.
Baithen räusperte sich und erklärte etwas gewunden: »Das Verbrechen wurde hier in Cashel begangen und dazu in der Burg des Königs. Obgleich ich ein Zeuge bin, kommt es mir als Richter von Muman zu, die Anklage zu erheben.«
Fidelma runzelte die Stirn. »Müßtest du nicht von einer dieser Rollen ausgeschlossen werden?« fragte sie mit leiser Stimme. »Ich dächte, das
berrad airechta,
das Gesetz über die Zeugenfähigkeit bestimmter Personen, könnte herangezogen werden, um dir Befangenheit vorzuwerfen.«
Das erstaunte Baithen. »Willst du mein Recht bezweifeln, als Ankläger aufzutreten? Worauf stützt du dich?«
»Du bist ein Zeuge, und das steht im Widerspruch zu deiner Rolle als Kronanwalt, denn als Kronanwalt bist du im Vorteil, kannst auf ein Geständnis und eine Verurteilung dringen. Ein Mann kann nicht Zeuge sein, wenn das gleichzeitig eine Vorteilsnahme für ihn bedeutet. So steht es im Gesetz.«
Richter Baithen zuckte unbeeindruckt die Achseln. »Dann werde ich nicht als Zeuge auftreten, sondern mich auf die Aussage von Caol stützen, der genau das gesehen hat, was ich auch gesehen habe. Also entfällt der Widerspruch.«
Jetzt holte Barrán tief Luft und schüttelte den Kopf. »Da gegen muß ich mich verwahren, Baithen, und bekräftigen, daß Fidelmas Argument sich voll und ganz auf die Gerichtsordnung gründet. Daß du Zeuge warst, kannst du nicht leugnen. Was du bereits gesehen hast, kannst du nicht ungesehenmachen, und deshalb bist du voreingenommen. Wie sie sagt, ist es das Bestreben eines Anklägers, auf ein Geständnis zu dringen. Ist der gleichzeitig auch Zeuge, kann ihn das zum Übereifer bei seiner Aussage verleiten.«
Dem konnte sich Baithen
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