Ein Gebet für die Verdammten
Glauben bekannt. Einer wie der andere fromm und sanftmütig, nicht einer ein Krieger.«
»Weshalb liegt dir daran, daß deine Söhne Krieger sind? Ist es nicht besser, Gott zu dienen und Menschen beim Leben zu helfen statt das Schwert zu ergreifen und einen frühen Tod zu erfahren?«
»Menschen beim Leben zu helfen? Wäre nur einer von ihnen ein Krieger gewesen, könnte meine Frau noch am Leben sein; aber so mußte sie in einem fremden Land sterben. Möge Hel an den Toren von Niflheim stehen, dem Ort des Nebels, um den zu empfangen, der ihren Tod auf dem Gewissen hat!«
Eadulf lief ein Schauder über den Rücken, als er den Mann Hel, von alters her die Göttin des Todes, anrufen hörte. Eadulf war mit den Göttern und Göttinnen seines Volkes aufgewachsen, und selbst heute noch spürte er manchmal dieMacht der alten Gottheiten – Wodan, Thor, Thyrm und Freya. Ihm war bewußt, daß er sie immer noch fürchtete. Vor allen anderen aber fürchtete er Hel, die das Land der Toten regierte.
»Lehnst du etwa den Neuen Glauben ab?« fragte er vorwurfsvoll.
Ordwulf lachte heiser. »Der alte Glauben war gut genug für meine Vorväter und ist es auch für mich. Wenn meine Zeit kommt, will ich in der rechten Hand meine Streitaxt haben und Wodans Namen auf den Lippen, auf daß ich Walhalla betreten und mit den Göttern und Helden meines Volkes schmausen kann.«
»Aber deine Söhne …«, hub Eadulf an.
»Meine Söhne!« höhnte der Alte. »Ihre eigene Mutter vermochten sie nicht vor den Verfechtern des Glaubens zu schützen, dem sie sich verschrieben haben. Ich verfluche sie! Ja, ich verfluche sie und frohlocke, daß er, der mir meine Aelgifu genommen hat, jetzt dorthin gejagt wird, wo er die Qualen der Verdammten erleiden muß. Möge Hel sich auch an seinem Fleische gütlich tun!«
Er spie über die Mauer, drehte sich um, eilte davon und ließ einen Eadulf zurück, der sich starr vor Entsetzen nicht vom Fleck rührte.
Fidelma nahm Muirchertach Nárs Worte mit Befremden zur Kenntnis.
»Du erklärst allen Ernstes, du hättest das Gemach von Abt Ultán aufgesucht, um ihn zu ermorden?« fragte sie ungläubig.
Seufzend senkte Muirchertach den Kopf. »Ich ging mit der Absicht dorthin, getan habe ich es aber nicht. Ich habe es nicht getan aus dem einfachen Grund, daß schon jemand vor mir ihn ermordet hatte.«
Fidelma lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, faltete die Hände auf dem Schoß und versuchte, ihre Gefühle zu beherrschen und völlig sachlich zu wirken. Sie sah ihn lange und streng an.
»Kannst du mir erklären, warum du eine solche Absicht hattest?«
Muirchertach schaute zu seiner Frau. Die zuckte gleichgültig mit den Schultern und tat, als wasche sie ihre Hände in Unschuld.
»Meine Frau hat dir vorhin gesagt, daß sie eine Uí Briúin Aí ist. Hast du schon mal was von Searc, der Dichterin aus diesem Stamm, gehört?«
Fidelma kannte den Namen nicht und schüttelte den Kopf.
»Searc war die jüngere Schwester meiner Frau. Sie war ein zartes, liebenswertes Geschöpf, und das paßte zu ihrem Namen.« Fidelma fiel ein, daß der Name Searc für Liebe und Zuneigung stand.
»Offensichtlich lebt sie nicht mehr, da du von ihr in der Vergangenheit sprichst«, schlußfolgerte sie.
»So ist es. Wäre sie noch am Leben, wäre aus ihr eine unserer größten Dichterinnen geworden.« Er machte eine Pause.
»Fahre fort.«
»Searc hatte das Talent, eine solche Größe wie Líadan oder Íta zu werden. Es ist etwas über fünf Jahre her, daß Connacht sie offiziell zu den besten
banfilidh,
den Frauen unter den Poeten zählte. So unternahm sie ihre erste Rundreise in die Hauptorte der fünf Königreiche, um auf den großen Festen ihre Dichtungen vorzutragen. Sie besuchte auch eine Festversammlung in Ard Marcha und lernte dort einen jungen Dichter namens Senach kennen.«
Er hielt inne. Fidelma ließ ihm Zeit und wartete geduldig,bis er sich wieder gesammelt hatte. Aíbnat saß da und starrte ins Feuer. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung, man konnte meinen, sie hörte gar nicht, was gesagt wurde.
»Sie verliebten sich ineinander«, nahm Muirchertach den Faden wieder auf. »Senach war Mönch in der Abtei Cill Ria, und als er nach der Dichterlesung in Ard Macha dorthin zurückkehrte, ging Searc mit ihm.«
Als er wieder eine Pause machte, warf Fidelma ein: »War zu der Zeit nicht Ultán Abt von Cill Ria?«
»Ja, Abt von Cill Ria war zu der Zeit Ultán«, bestätigte Muirchertach.
»Was geschah dann?«
»Ich denke
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