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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mauern entlang. Der bewölkte Himmel hing tief und deutete auf erneuten Regen. Der Wind war frisch, aber nicht so kalt wie in den vorangegangenen Tagen. Er schien von Süden zu kommen. Über die Ebene hatte sich ein Hauch Weiß gebreitet, demnach war der Boden immer noch leicht gefroren. Schäfer mit ihren Schafherdenzogen darüber hinweg; Eadulf nahm ihre Umrisse als dunkle Schatten auf der weißen Fläche wahr.
    Ein Wächter hob freundlich die Hand zum Gruß. Eadulf grüßte zurück und ging weiter, sog genüßlich die kalte Morgenluft ein. Das half, den Kopf freizubekommen. Zu wenig Schlaf konnte einen rasch entkräften, und war erst mal der Zustand erreicht, daß auch die Gedanken einen nicht mehr zur Ruhe kommen ließen, war das zusätzlich belastend.
    Auf diesem Rundweg jemandem zu begegnen, hatte er nicht erwartet. Ein alter Mann in kurzem Wollmantel mit Kaninchenfellbesatz tauchte an einer Biegung vor ihm auf. Sein langes weißes Haar wurde im Nacken von einem Lederband zusammengehalten. Irgendwie kam er Eadulf bekannt vor, aber es dauerte eine Weile, ehe er wußte, wer er war.
    »Einen schönen guten Tag, Ordwulf«, rief er laut in seiner Muttersprache.
    Erschrocken drehte sich der Alte mit weit aufgerissenen Augen um, als hätte man ihn bei etwas Verbotenem ertappt. Dann krauste er die Stirn, schien angestrengt nachzudenken, mit wem er es zu tun hatte. Eadulf fiel ein, daß bei ihrer letzten Begegnung Ordwulf wie in eine andere Welt versunken dagesessen hatte, und fragte sich, ob Berriherts Vater womöglich senil sei.
    »Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham im Lande des Südvolks«, half er nach. »Wir haben uns vor zwei Tagen gesehen, als …«
    »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Ordwulf. »Ich leide doch nicht an Gedächtnisschwund!«
    Die unfreundliche Art des Mannes verwunderte Eadulf. »Natürlich nicht. Hattest du mit deinen Söhnen nicht Unterkunft unten in der Stadt gefunden? Daß ihr hier oben auf der Burg untergebracht seid, wußte ich gar nicht.«
    »Doch, doch, wir sind in der Stadt, da hat man Unterkünfte für fromme Brüder zur Verfügung gestellt. Ich bin nur gleich bei Tagesanbruch hergekommen, sowie sie die Tore aufmachten. Ich wollte da jemanden von Angesicht zu Angesicht sehen.« Er wandte sich um und blickte über die Zinnen hinüber zu den im Norden liegenden Bergen. »Ein schönes Fleckchen Erde das Ganze, aber Deira ist es nicht«, stellte er sinnend fest.
    Eadulf wußte, daß Berrihert und seine Brüder aus dem südlichen Teil von Northumbrien, dem alten unabhängigen Königreich von Deira, stammten, das Athelfrith von Bernicia erobert hatte und damit beide Königreiche zu Northumbrien als dem Land nördlich des Flusses Humber vereinigt hatte. Es lag lange zurück, aber manche konnten sich noch daran erinnern.
    »Weit und breit keine Meeresküste«, fuhr Ordwulf verbittert fort. »Meine Burg stand an der Küste. Einst war ich Herr über ein Gebiet am Meer, soweit ich sehen konnte. Von Nord nach Süd, über die ganze lange Küste habe ich geherrscht. Und jetzt bin ich ein Fremder in einem fremden Land.«
    »Hast du Heimweh nach Deira?« fragte Eadulf höflich.
    »Heimweh?« Der Alte überlegte eine Weile. »Es sind nicht Orte oder bestimmte Flecken, nach denen ich mich sehne. Ich sehne mich nach meiner toten Frau und nach den Freunden, die einst dort gewohnt haben.«
    Eine Antwort darauf fiel Eadulf schwer.
    »Tempori parendum«
, murmelte er.
    Mißbilligend sah ihn der alte Mann an. »Du kannst doch vernünftiges Angelsächsisch sprechen, also sprich es auch. Ich kann dieses fremdländische Gebrabbel nicht ertragen.«
    »Ich hab gesagt, man muß mit der Zeit mitgehen«, erklärteEadulf. »Die Zeiten ändern sich, und wir müssen uns gleichfalls ändern.«
    »Blödes Gerede«, polterte Ordwulf los. Eadulf war regelrecht erschrocken ob seiner Heftigkeit. »Die Zeit erweist sich als Dieb. Sie hat mir Aelgifu, meine Frau, genommen, und was ist mir geblieben?«
    »Zumindest drei prachtvolle Söhne«, meinte Eadulf. »Söh ne , auf die du stolz sein kannst.«
    »Prachtvolle Söhne, sagst du?« Der alte angelsächsische Krieger drehte sich zu ihm um und maß ihn von Kopf bis Fuß mit bitterbösem Blick. »Einer wie du kann wohl nicht anders und muß so was sagen.«
    »Was meinst du damit?« Eadulf begann, sich über den Alten zu ärgern. Er spürte die Beleidigung in dessen Worten, konnte sie aber nicht richtig deuten.
    »Drei Söhne, und alle haben sie sich wie du zu diesem Neuen

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