Ein Gebet für die Verdammten
Muirchertach wirklich des Mordes schuldig ist, wie ihm angelastet wird, könnte er eine weit bessere Geschichte erfunden haben als eine, die seinen Anklägern das Motiv für Totschlag buchstäblich zuspielt.«
Sie erhob sich, und Muirchertach tat das gleiche. Besorgt sah er sie an.
»Wirst du meine Verteidigung übernehmen?« fragte er bang.
»Ich kann nicht anders, einen Unschuldigen werde ich immer gegen falsche Anklage verteidigen, Muirchertach«, sagte sie ruhig. »Ich werde meine Nachforschungen betreiben. Es kann durchaus sein, daß ich im weiteren Verlauf der Dinge auf die Unterstützung von Eadulf von Seaxmund’s Ham zurückgreifen möchte. Hättest du etwas dagegen?«
»Ein Angelsachse?« giftete Aíbnat sofort los.
»Der über kurz oder lang auch vor Recht und Gesetz mein Ehemann sein wird«, erwiderte sie. »Ich darf dir versichern, daß er mir bereits bei vielen meiner Untersuchungen sehr geholfen hat.«
»Ich weiß das sehr wohl«, griff Muirchertach rasch ein. »Sind wir nicht eigens hier angereist, um den Feierlichkeiten anläßlich deiner Hochzeit mit ihm beizuwohnen? Ich habe nichts dagegen einzuwenden, auch in Eadulfs Gegenwart Aussagen zu machen.«
»Das ist gut. Wir sprechen uns später.«
KAPITEL 7
Fidelma überquerte einen der kleineren Innenhöfe und lief Eadulf in die Arme. Er kam gerade die Stufen herunter, die zum Burgrundweg führten. Natürlich wollte er wissen, was sie herausgefunden hatte; sie zog ihn beiseite und berichtete ihm kurz, was ihr Gespräch mit Muirchertach und seiner Frau Aíbnat ergeben hatte. Nachdenklich rieb er sich das Kinn.
»Dieser Muirchertach ist entweder unschuldig oder raffiniert«, resümierte er.
Fidelma versuchte seinen Gedankengang nachzuvollziehen. »Du meinst, daß seine Bereitschaft, einen Beweggrund preiszugeben, dazu noch einen wie die Absicht, Abt Ultán töten zu wollen, gefolgt von der Behauptung, jemand anders hätte es schon vor ihm getan, ein Zeichen von Raffinesse ist?«
»Wäre durchaus möglich. Mit einer Geschichte, die so eindeutig den Tatverdacht auf ihn lenkt, erreicht er natürlich, daß ihn jedermann für unschuldig hält.«
»Ein umständliches Ablenkungsmanöver.«
»Das schon. Aber du weißt doch besser als alle anderen, daß Menschen keine Umwege scheuen, wenn sie einen dadurch auf eine falsche Fährte locken können. Wenn er damit rechnen mußte, daß die Geschichte mit der Schwester seiner Frau an die Öffentlichkeit dringen würde, war es besser, von vornherein ein Bekenntnis abzulegen. Dann würde es heißen, er sei eine grundehrliche Haut, und das zu seinem eigenen Schaden. Setzte sich aber eine solche Auffassung erst mal durch, würde ihn niemand mehr des Verbrechens bezichtigen.«
»Da ist was dran«, stimmte ihm Fidelma zu. »Wenn Muirchertach nun aber tatsächlich unschuldig ist, was dann?«
»In Cashel haben sich schon genug Verdächtige versammelt.« Er grinste.
»Du denkst an Abt Augaire?«
»Auch an Berrihert und seine Brüder.«
»Die hatte ich völlig vergessen«, gestand sie.
»Dem alten Ordwulf bin ich eben draußen vor den Mauern begegnet. Aber ich glaube, ihn und seine drei Söhne können wir erst mal auslassen.«
»Wieso?«
»Weil sie die vergangene Nacht unten in der Stadt in der Herberge verbracht haben, und sowie die Burgtore für die Nacht verschlossen sind, wird niemandem mehr Einlaß gewährt, es sei denn, es gibt einen wichtigen Grund. Keiner von ihnen hätte hier eindringen können, um die Tat zu begehen. Ordwulf sagte, er sei erst bei Tagesanbruch hier heraufgekommen, als man die Tore öffnete. Aus dem, was er erzählte, habe ich entnommen, daß er kam, um den Abt zu sehen, doch dann erfuhr er, daß der tot war. Er macht keinen Hehl daraus, daß er über dessen Tod frohlockt.«
»Auf jeden Fall sollten wir deine angelsächsischen Freunde im Auge behalten. Abt Ultán scheint eine Menge Leute gegen sich aufgebracht zu haben.«
»Wir müssen mehr über ihn in Erfahrung bringen. Vielleicht wäre ein Gespräch mit dem König von Ulaidh angebracht.«
Fidelma wehrte ab. »Blathmac müssen wir nicht gleich behelligen. Ich würde mir erst mal die Leute aus Abt Ultáns Gefolge vornehmen wollen.«
An die Gruppe, die mit Abt Ultán angereist war, hatte Eadulf überhaupt nicht mehr gedacht. »Mit wem von denen fangen wir an?«
Bald darauf saßen sie in der Bibliothek, die sich Fidelma für das Befragen von Zeugen ausbedungen hatte. Eadulf hockte an einem kleinen Tisch mit einer Wachstafel mit
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