Ein Gebet für die Verdammten
ich.«
»Haben sie einen Grund angeführt, weshalb sie ins Zimmer wollten?«
»Angeblich nur, um seine persönliche Habe an sich zu nehmen.«
»Du hast ihnen doch den Zutritt verwehrt?«
»Selbstverständlich, wie man mich angewiesen hatte.« Fast schien er ob dieser Frage beleidigt.
»Ich hatte es auch nicht anders erwartet«, beteuerte Fidelma.
»Auch Abt Augaire schaute vorbei, wollte wissen, ob er irgend etwas tun könnte. Pure Neugierde, wenn du mich fragst.«
Fidelma warf einen kurzen Blick zu Eadulf, ließ sich abernach außen hin keinerlei Regung anmerken. »Sonst noch jemand?«
»Richter Ninnid. Dem habe ich natürlich Zutritt gewährt. Und dann war da so ein merkwürdiger Angelsachse … Du mußt schon entschuldigen, Bruder Eadulf. Er sagte, er hieße Ord … Ordwul …«
»Ordwulf?« half Eadulf ein.
»Ja, das war der Name. Ordwulf, ein alter Mann. Der war ein bißchen verrückt.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er faselte dummes Zeug, wollte sehen, wo der Tyrann gestorben wäre, und sich vergewissern, daß er nicht wieder auferstehen würde wie damals aus dem Meer. Ich konnte mir keinen Reim drauf machen. Hab ihm gesagt, daß man den Leichnam fortgeschafft habe und daß Abt Ultán eindeutig tot sei.«
»Was hat er daraufhin gemacht?«
»Er wollte wissen, wo die Leiche sei. Ich hab ihm gesagt, daß Bruder Conchobhar sie zur Kapelle gebracht hätte, daß man sie von dort zur Mitternacht holen und auf dem Friedhof der Geistlichen begraben würde, wie es hier gemeinhin üblich sei. Das Gebaren des Angelsachsen war äußerst merkwürdig. Er hatte deutliche Schwierigkeiten, sich in unserer Sprache zu verständigen, und ich hatte meine liebe Not, ihn überhaupt zu verstehen.«
Fidelma seufzte und meinte dann: »Warte bitte, bis wir hier fertig sind, Enda. Es dauert nicht lange.«
In dem Raum, den sie betraten, war es dunkel. Über Cashel hatte sich bereits die Abenddämmerung gelegt, und ein Vorhang vor dem Fenster verhinderte auch den spärlichsten Lichteinfall. Es roch merkwürdig, aber wonach, vermochte Fidelma nicht zu sagen. Schemenhaft erkannte sie Eadulf, wieer nach einer Kerze greifen wollte, und konnte ihn gerade noch zurückhalten.
Im gleichen Moment bemerkte auch Eadulf den strengen Geruch, wie man ihn von einer eben ausgelöschten Kerze kennt. Gleich darauf bewegte sich etwas, und ein Schatten huschte zum Fenster.
Blitzschnell versetzte Fidelma der Tür hinter sich einen Tritt mit dem Fuß, in der Hoffnung, daß vom Gang etwas Licht in den Raum dringen würde. Gleichzeitig rief sie nach Enda um Hilfe.
Eadulf hatte sich auf die Gestalt gestürzt, die fast durch das Fenster entkommen wäre. Er hatte sie an der Körpermitte packen und zurückzerren können und dabei festgestellt, daß es sich um ein behendes, weibliches Wesen handelte. Die Wucht der Bewegung brachte ihn zu Fall, und er landete rücklings auf dem Boden, ohne die Umklammerung zu lösen. Die so Gefangene lag auf ihm, keuchte, kratzte und strampelte.
Mit gezogenem Schwert in der einen Hand und einer Laterne in der anderen kam Enda hereingestürmt und brüllte furchteinflößend: »Rühr dich nicht vom Fleck, oder du kriegst meine Klinge zu spüren!«
Das wirkte. Die Gestalt hörte auf, sich wie wild zu gebärden, so daß Eadulf sich von ihr befreien und wieder auf die Beine kommen konnte. Sie ihrerseits stützte sich auf die Knie, und im Schein der Lampe konnten sie erkennen, daß sie eine Frau in der Tracht einer Nonne vor sich hatten.
»Ich hab dich irgendwo schon mal gesehen«, brachte Eadulf mühsam hervor und rang nach Atem.
»Das ist Schwester Sétach«, erklärte Enda. »Das ist die, die vorhin an der Tür war und hinein wollte, aber ich habe es ihr untersagt.«
»Sehr ernst hat sie dein Verbot offensichtlich nicht genommen«, meinte Fidelma ruhig, die näher getreten war.
»Ich schwöre, sie ist nicht an mir vorbei, Lady«, beteuerte Enda. »Ich habe ihr gesagt, daß sie nicht hinein darf, und bin die ganze Zeit auf meinem Posten gewesen.«
»Das glaub ich dir«, beruhigte sie ihn und wandte sich dem Mädchen zu, das inzwischen auch wieder auf zwei Beinen stand, etwas mitgenommen, aber nicht unbedingt eingeschüchtert schien. »Wie bist du hier hereingekommen?«
Das Mädchen schwieg mit trotziger Miene.
Fidelmas Blick wanderte zum Fenster. Sie wußte, daß unmittelbar unterhalb der Fenster rund um die Burgmauern ein schmaler Sims verlief, nicht mehr als einen Fuß breit, und darunter war an die fünfzig
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