Ein Gebet für die Verdammten
gesprochen. Ich hätte gern von dir selbst gehört, worin deine Aufgabe bestand.«
»Vermutlich weißt du, daß der Erzbischof von Ard Macha Abt Ultán als seinen Sendboten ausschickte, um in den Kirchen der fünf Königreiche Ordnung zu schaffen und durchzusetzen, daß die Kirche des Heiligen Patrick als oberste Kirche anerkannt wird. Wir reisten durch die Königtümer und stellten unser Anliegen den Bischöfen und Äbten dringlich vor. Meine Aufgabe – und auch die von Schwester Marga – war, Mitschriften der geführten Gespräche anzufertigen, damit wir bei unserer Rückkehr nach Ard Macha dem Nachfolger Patricks zuverlässig Bericht erstatten konnten.«
»Ich verstehe. Wie standest du zu Abt Ultán?«
Sie zog die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?«
»Du lebst im Kloster Cill Ria und bist lange mit Abt Ultán unterwegs gewesen. Mochtest du ihn? Was hast du von ihm gehalten?«
»Er war ein großartiger und frommer Mann.« Trotz des Kerns der Aussage hatten Fidelma und Eadulf den Eindruck, daß die Antwort nicht aus vollem Herzen kam.
»Seit wann kanntest du ihn?«
»Seit ich zur Gemeinschaft von Cill Ria gehöre.«
»Und das ist seit wann?«
»Seit drei Jahren.«
»Hat dich der Abt für diese Aufgabe, ich meine für die Mitschriften, auserwählt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wie kam es, daß du auf dieser Mission dabei sein durftest? Hast du es Bruder Drón zu verdanken?«
»Schwester Marga hat mich gebeten, ihr Gesellschaft zu leisten. Der Abt hatte ihr angetragen, ihn zu begleiten, um die Mitschriften anzufertigen, und ihr gestattet, eine Gefährtin mitzunehmen, die ihr zur Hand gehen sollte. Da hat sie mich gefragt.«
»Aha. Du bist doch aber gern mitgegangen, oder?«
Sie nickte bekräftigend. »Es war wunderbar, die Welt jenseits der Sperrins erleben zu dürfen.«
»Der was?«
»Das sind die Berge, die man von Cill Ria aus sieht. Ich war bis dahin noch nie weiter im Süden gewesen.«
»Bist du mit Abt Ultán gut zurechtgekommen?«
Sie krauste erneut die Stirn. »Wie soll ich das verstehen?«
Fidelma beherrschte sich nur mühsam. »War Ultán ein angenehmer Mensch in der Zusammenarbeit? Hast du dich in seiner Gegenwart frei und ungezwungen gefühlt? War er ein strenger Gebieter?«
»Streng war er, ja. Vor allen Dingen auch im Umgang mit Bruder Drón, der bei allen Beratungen sein enger Ratgeber war. Schwester Marga und ich mußten ja nur die Berichte über unsere Reiseetappen anfertigen.«
»Während deiner Jahre in Cill Ria, sind dir da irgendwelche Geschichten über Ultán zu Ohren gekommen, Geschichten über die Zeit, bevor er sein Leben der Abtei und der Kirche widmete?«
Die Frage bereitete ihr merklichen Verdruß. »Na ja, Gerede gab es schon«, gestand sie nach einer Weile ein.
»Und was hast du davon gehalten?«
»Es berührte mich nicht weiter. Was ein Mensch in der Vergangenheit getan hat, gehört der Vergangenheit an, sofern er begangene Unrechttaten aufrichtig bereut und um Vergebung gebeten hat. Das ist doch wohl der Sinn des Glaubens, Fidelma von Cashel.«
»Demnach warst du mit Ultán glücklich und zufrieden?«
»So würde ich es nicht sehen. Ich habe in Cill Ria dem Glauben an Jesus Christus gedient, und Abt Ultán war dort das Oberhaupt. Jedermann achtete ihn als einen Mann der Frömmigkeit und Stärke, als einen großen Führer und Reformer, dessen Andenken man nun durch seinen Märtyrertod bald in allen fünf Königreichen in Ehren halten wird.«
Fidelma lehnte sich zurück und betrachtete gedankenvoll die junge Frau.
»Märtyrertod? Lassen wir das dahingestellt. Zurück zur Frage, weshalb du dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, um in dieses Zimmer zu gelangen.«
Schwester Sétach machte eine lässige Bewegung. »Ich hatte nicht daran gedacht, mein Leben aufs Spiel zu setzen.«
Eadulf hatte die ganze Zeit am Fenster gestanden und im flackernden Laternenlicht mit seinen Blicken aufmerksam den Raum abgesucht. Jetzt ging er unversehens zur anderen Seite hinüber, wo in einer Ecke eine kleine Truhe stand.
»Hast du das, wonach du suchtest, gefunden?« fragte er, wies auf das Möbelstück und erklärte dann zu Fidelma gewandt: »Diese Truhe hier ist vermutlich Ultáns persönliches Eigentum. Ich habe sie heute früh schon bemerkt. Seitdem ist sie augenscheinlich in großer Hast geöffnet und wieder geschlossen worden. Etliche Kleidungsstücke wurden nicht ordentlich zurückgepackt und quellen nun unter dem Deckel hervor.«
»Was hast du darin zu finden
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