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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ihn wieder als Gleichberechtigten in den Schoß der Familie aufnehmen können. Wollten sie das nicht tun, würde er jegliche Rechte einbüßen und damit ein
fuidir
werden.«
    Eadulf wußte, daß sie damit einen Angehörigen der untersten Schicht der Gesellschaft meinte. Es waren sogenannte Unfreie, meist Verbrecher der schlimmsten Art, Feiglinge, die ihre Sippe im Stich gelassen hatten, als man ihrer Hilfe bedurfte, Männer, die das Recht verwirkt hatten, Waffen zu tragen oder irgendeine politische Verantwortung in der Sippe zu übernehmen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt waren und sich nur mit harter Arbeit wieder Ansehen verschaffen konnten.
    »Und wie erging es Uallgarg?« fragte Fidelma.
    »Niemand wollte ihn, nur der alte Abt vom nahe der Küste gelegenen Cill Ria. Der Alte brauchte jemanden, der die auf dem Klostergelände anfallende schwere Arbeit erledigte, und bot sie Uallgarg an. Ihm blieb nichts weiter übrig – entweder wieder raus aufs Meer oder ins Kloster eintreten und arbeiten. Er entschied sich fürs Leben und übernahm die ihm zugewiesene Rolle mit einer Frömmigkeit sondergleichen. Er behauptete, auf See hätte er eine Vision gehabt, und das hätte ihn zu einem völlig anderen Menschen gemacht. Er betrachtete seinLeben im Kloster als Wiedergeburt und gab sich den neuen Namen Ultán, was, wie du vielleicht weißt, Bruder Angelsachse, nichts weiter als ›Mann von Ulaidh‹ heißt. Eine Reihe von Jahren verrichtete er alle Arbeiten auf Cill Ria, wie ihm geheißen. Er gebärdete sich frömmer als alle anderen dort. Der alte Abt, der gleichzeitig Bischof der Uí Thuirtrí war, glaubte allen Ernstes, daß sich ein tiefgreifender Wandel ihn ihm vollzogen hatte. Nicht nur, daß er ihn als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft aufnahm, er weihte ihn sogar zum Priester.«
    »Kaum vorstellbar«, meinte Eadulf ungläubig.
    »So was hat es auch schon früher gegeben«, erwähnte Fidelma. »Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Mann namens Mac Cuill in Ulaidh.«
    »Du kennst die Geschichte?« wunderte sich Fergus Fanat. »Das ist viele, viele Jahre her.« Und zu Eadulf gewandt fuhr er erklärend fort: »Auch er war ein Dieb und Mörder, und auch er wurde in einem Boot auf hoher See ausgesetzt. Wind und Wellen spülten ihn in Ellan Vannin ans Ufer; das ist die Insel von Manannán Mac Lir, dem alten Gott der Meere, sie liegt zwischen unserer Insel und Britannien. Auch er behauptete, er hätte eine Vision gehabt, und bekannte sich zum Neuen Glauben, wurde schließlich Bischof auf der Insel und wird dort bis zum heutigen Tag hochgeachtet und verehrt.«
    »Dieser Uallgarg oder Ultán zeigte tatsächlich Reue und wurde ein gottesfürchtiger Christ?« wollte Eadulf bestätigt wissen.
    »Das habe ich nicht gesagt«, wehrte Fergus Fanat ab.
    »Aber der Abt von Ard Macha, Comarb des heiligen Patrick, hob ihn auf einen auserwählten Posten – er machte ihn zum Abgesandten Ard Machas«, stellte Fidelma nachdrücklich fest.
    »Uallgarg oder Ultán ist bei der ganzen Sache gut weggekommen. Binnen weniger Jahre hat er es von einem ergebenen
fuidir,
der im Kloster Cill Ria niedere Dienste leistete, um am Leben bleiben zu dürfen, bis zum Abt gebracht. Kurz vor seinem Tode richtete der alte Abt einen überschwenglichen Lobesbrief über seinen Schützling an Ard Macha.«
    »Und es gab im Zusammenhang mit dem Ableben des alten Abts keinerlei Verdachtsmomente?« erkundigte sich Eadulf skeptisch.
    Der Krieger grinste. »Es gab etliche, die sich in dieser Richtung geäußert haben.«
    »Kannst du das mit Fakten belegen?« fragte Fidelma rasch.
    »Nein, es war bloßes Gerede. Aber bei allem, was man über Ultán weiß, hätte es sehr wohl zu seinen ehrgeizigen Plänen und seinem gnadenlosen Vorgehen gepaßt. Ein Wolf im Schafspelz bleibt trotz allem ein Wolf. Es gibt genügend Vorfälle, die darauf hinweisen, daß er sich nicht von seiner Vergangenheit verabschiedet hatte.«
    »Willst du damit sagen, daß Ultán – ich bleibe der Einfachheit halber bei dem Namen, unter dem er jetzt bekannt ist – immer noch ein Dieb und Mörder war?«
    Fergus Fanat zuckte nichtssagend die Schultern. »Er hatte es offensichtlich nicht mehr nötig, ein Dieb des alten Stils zu sein. Cill Ria ist eine wohlhabende Gemeinschaft. Als die Macht über das Kloster erst mal in seinen Händen lag, konnte er die Straßenräuberei an den Nagel hängen. Aber alles andere, seine Frauengeschichten und …«
    »Ich dachte, er hielt nichts von

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