Ein Gebet für die Verdammten
zurück nach Tara.«
An den Festungstoren wünschten sie den Brehons einegute Nacht, dann fragte Eadulf: »Soll ich Bruder Berrihert suchen und ihn wegen der Szene auf dem Friedhof zur Rede stellen?«
Fidelma war dagegen. »Es ist schon spät, die Tore werden bald geschlossen, und außerdem mußt du morgen früh heraus und zur Jagd mitreiten.«
»Ich sehe eigentlich keine Notwendigkeit, daß ich da mitmache«, meinte Eadulf zögernd. »Ich bin sicher, Muirchertach wird sein Ehrenwort halten. Wir könnten die Zeit nützlicher hier verbringen und Zeugen befragen.«
»An der Jagd werden morgen viele teilnehmen«, erläuterte Fidelma geduldig. »Selbst die Damen werden dabei sein. Ich brauche jemand, auf den ich mich verlassen kann und der unsere Gäste scharf im Auge behält.«
»Verheimlichst du mir auch nichts und erzählst mir wirklich alles, was du weißt?« fragte Eadulf fast anklägerisch.
Fidelma lachte. »Was ich weiß, ist herzlich wenig. Aber Vermutungen habe ich viele. Begeben wir uns lieber zur Ruhe, denn besonders du mußt morgen frisch und munter sein.«
Der Tag begann strahlend hell. Am Himmel waren keine Wolken, und über die Landschaft lag ein weißer Rauhreifschleier gebreitet. Die Sonne warf einen blaßgelben Schein über die Berge im Osten, der aber keine Wärme versprach. Im Innenhof der Festung hatten sich die Treiber mit einer Meute Jagdhunde gesammelt, und die Lanzenträger auf ihren Pferden schienen in einer Wolke aufsteigenden Dampfes zu stehen, doch das war nur ihr Atem, der sich in die kalte Morgenluft mischte.
Eadulf traf Gormán im Hof, der mit ihm reiten sollte. Er hatte ihm schon das Pferd gesattelt und hielt es am Zaum. DieJagdhelfer zogen bereits zum Tor hinaus; sie führten ein Dutzend Jagdhunde an langen Leinen. Man hatte Eadulf erklärt, daß sie in den dichten Wald östlich der Stadt ziehen und die Wildschweine ins dahinter liegende offene Gelände treiben sollten. Ungefähr eine Stunde würden sie bis zu der Stelle benötigen, an der man die Rotte vermutete. Derweil würden die berittenen adligen Herren mit ihren Speeren im Feld Aufstellung nehmen.
Bis es soweit war, reichten Bedienstete der Adelsgesellschaft Becher mit
corma,
um die Wartezeit zu verkürzen. Das erinnerte Eadulf an einen ähnlichen Brauch in seinem Volk. Dort kredenzte man den Jägern den Abschiedstrunk, wenn sie bereits aufgesessen waren. Bei den Iren wurde der Trunk
deog an dorais
genannt, der Scheidebecher am Tor. Gormán drückte ihm einen Becher in die Hand, sagte dabei
»Milsem cacha corma a cétdeog«
und grinste. Er brauchte einen Augenblick, bis er sich diesen uralten Spruch übersetzt hatte – der erste Schluck schmeckt am besten.
Er nippte an dem teuflisch scharfen Branntwein und schaute sich um. Colgú unterhielt sich mit Sechnassach, dem Hochkönig. Insgesamt hatten sich viele Stammesfürsten und andere Adlige eingefunden. Eadulf entdeckte in der Menge auch gleich Muirchertach Nár, den Landesherrn von Connacht. In seinem wollenen Jagdumhang in Königsblau war er nicht zu übersehen. Er schien gänzlich unbekümmert, plauderte und scherzte fröhlich mit Dúnchad Muirisci, seinem Thronfolger. Eadulf war nicht wenig erstaunt, als er einen anderen bekannten Würdenträger hoch zu Roß und in Jagdkleidung herankommen sah: Abt Augaire. Wiederum war die Teilnahme an einer Jagd nichts Außergewöhnliches für Klosterherren. Der Glaube gebot seinen Anhängern nicht, sich vom Jagdvergnügen fernzuhalten, und Eadulf kannte sogaretliche Prälaten, die sich ihres Geschicks beim Weidwerk rühmten.
Im hinteren Teil des Burghofs warteten die Frauen der Adligen darauf, aufzusitzen und sich der Jagdgesellschaft anzuschließen. Einige der Gesichter erkannte Eadulf, so zum Beispiel Lady Gormflaith, die Gattin des Hochkönigs, mit ihrem Gefolge. Während er andere zum Ausritt aufgeputzte Damen musterte, entdeckte er Aíbnat, das Ehegespons von Muirchertach Nár. Er stutzte kurz. Doch warum sollte sie nicht dabei sein, schließlich war ihr Mann auch mit von der Partie.
»Die Damen reiten später hinterher, da sind wir längst unterwegs«, sagte Gormán, als hätte er seine Gedanken erraten. »Bist du schon mal auf einer Schwarzkitteljagd gewesen, Bruder?«
Eadulf schüttelte den Kopf. Rotten von Wildschweinen richteten auch in seinem Land Schaden an, doch für die Jägerei hatte er nie viel übrig gehabt. Man mußte das Wild wohl bejagen, damit die Leute zu essen hatten, doch überließ er es lieber
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