Ein gefährlicher Gegner
dann nach London. Und dann sollst du endlich so leben, wie du es verdienst. Wir werden in die Staaten zurückkehren. Beeil dich also und werde gesund.»
19
A uf der Straße hielten sie kurz Kriegsrat. Sir James hatte seine Uhr aus der Tasche gezogen.
«Der Zug zur Fähre nach Holyhead hält um zwölf Uhr vierzehn in Chester. Wenn Sie gleich aufbrechen, können Sie meiner Ansicht nach noch den Anschluss erreichen.»
Tommy blickte verwundert auf. «Müssen wir uns denn so beeilen, Sir? Heute ist doch erst der Vierundzwanzigste.»
«Ich halte es immer für gut, eine Sache, die getan werden muss, gleich zu tun», mischte sich Hersheimer ein. «Wir gehen sofort zum Bahnhof.»
Sir James furchte ein wenig die Stirn. «Ich würde gerne mitkommen, aber ich muss leider um zwei Uhr eine Rede halten.»
Hersheimer schien eher erleichtert. «Ich glaube, dieser Teil der Angelegenheit ist wohl nicht weiter schwierig. Wir müssen nichts weiter als ein bisschen suchen – ganz, wie wir es als Kinder getan haben.»
«Man soll niemals seinen Gegner unterschätzen.»
Der Ernst seiner Stimme beeindruckte Tommy, übte jedoch auf Hersheimer nur geringe Wirkung aus. «Sie meinen, Mr Brown könnte erscheinen und ein wenig mitspielen? Na, wenn er es tut, bin ich bereit, ihn gebührend zu empfangen.» Er schlug sich auf die Tasche. «Ich habe eine Pistole bei mir. Dieser kleine Willi begleitet mich immer.» Er zog eine gefährlich aussehende Pistole hervor und streichelte sie, bevor er sie zurücksteckte. «Auf dieser Reise aber werden wir den kleinen Willi nicht brauchen. Niemand kann uns schließlich an Mr Brown verpfeifen.»
Der Anwalt zuckte mit den Schultern. «Es war auch niemand da, der es ihm hätte verpfeifen können, dass Mrs Vandemeyer ihn verraten wollte. Und doch ist Mrs Vandemeyer gestorben ohne das entscheidende Wort zu sprechen.» Damit war Hersheimer zum Schweigen gebracht, Sir James fügte etwas weniger ernst hinzu: «Ich möchte Sie ja nur warnen. Auf Wiedersehen. Wenn Grund zur Annahme besteht, dass man Sie beschattet und Ihnen die Papiere abnehmen könnte, vernichten Sie sie.» Er reichte beiden die Hand.
Zehn Minuten später saßen sie in einem Abteil erster Klasse, auf dem Weg nach Chester.
Lange Zeit sprach keiner ein Wort. Als schließlich Hersheimer das Schweigen brach, machte er eine völlig unerwartete Bemerkung. «Sagen Sie mal, haben Sie sich jemals eines Mädchengesichts wegen zum Narren gemacht?»
«Ich wüsste nicht. Wieso?»
«Weil ich mich während der letzten beiden Monate Janes wegen wie ein sentimentaler Idiot aufgeführt habe. Als ich zum ersten Mal ihr Bild erblickte, machte mein Herz sämtliche Saltos, von denen man in Romanen liest. Ich schäme mich, es zugeben zu müssen, aber ich kam mit dem festen Entschluss nach Europa, sie zu finden und sie als Mrs Hersheimer nach Hause zu führen.»
«Ach so!», rief Tommy überrascht.
Hersheimer schlug die Beine übereinander. «Das beweist nur, wie dämlich sich ein Mensch benehmen kann. Ein Blick auf das Mädchen selber – und ich war geheilt. Sie ähnelt so gar nicht dem Foto, das ich von ihr hatte. Gewiss ist sie hübsch. Ich habe sie ja auch gleich erkannt. Wäre ich ihr in einer Menschenmenge begegnet, hätte ich gesagt. ‹Das Gesicht kommt mir bekannt vor.› Aber auf diesem Bild war noch etwas anderes» – Hersheimer seufzte auf –, «na, unsere romantischen Gefühle sind ziemlich komisch.»
«Das kann man wohl sagen», erwiderte Tommy, «vor allem, wenn einer, in ein Mädchen verliebt, hierher kommt und innerhalb von vierzehn Tagen einem anderen einen Antrag macht.»
Hersheimer brachte den Anstand auf, etwas verlegen zu tun. «Verstehen Sie, ich hatte das Gefühl, ich würde Jane niemals finden, war der Sache ein wenig müde und dachte, es wäre alles im Grunde genommen ein großer Blödsinn. Die Franzosen zum Beispiel sind in ihrer Art, das Leben zu betrachten, sehr viel vernünftiger. Sie halten romantische Gefühle und Ehe auseinander –»
Tommy schoss das Blut ins Gesicht. «Verdammt. Wenn es das ist…»
Aber Hersheimer unterbrach ihn gleich.
«Halt, nur nicht so eilig. Ich meine nicht, was Sie meinen. Ich möchte behaupten, dass die Amerikaner im Allgemeinen eine viel strengere Moralauffassung haben als sogar Sie. Ich meinte nur, dass die Franzosen eine Ehe eben geschäftsmäßiger betrachten. Aber vielleicht stimmt’s auch gar nicht.»
«Wenn Sie mich fragen», erwiderte Tommy, «so sind wir heute alle viel zu
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