Ein gefährlicher Gegner
Fragen heraus. Tommy und Hersheimer berichteten von ihrer vergeblichen Suche.
Sir James ging sofort auf den Kern der Sache los. «Ein Telegramm mit Ihrem Namen? Unsere Gegner wussten natürlich schon einiges von Ihnen beiden. Sie waren aber nicht sicher, wie viel Sie in diesem Haus erfahren hatten. Die Entführung von Miss Tuppence ist der Gegenzug, um Ihrer Flucht entgegenzuwirken. Wenn nötig, können sie Ihnen den Mund versiegeln durch die Drohung, dass…»
Tommy nickte. «Das denke ich auch, Sir.»
Sir James betrachtete ihn aufmerksam. «Seltsam ist aber, dass man im Anfang Ihrer Gefangenschaft offenbar nichts von Ihnen wusste. Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht doch irgendwie verraten haben?»
Tommy schüttelte den Kopf.
Hersheimer sagte: «Ich nehme an, dass ihnen jemand etwas hinterbracht hat – und das nicht vor Sonntagnachmittag.»
«Ja, aber wer?»
«Natürlich der allmächtige und allwissende Mr Brown.»
Es lag leiser Spott in seiner Stimme und Sir James streifte ihn mit einem scharfen Blick.
«Sie glauben wohl nicht an ihn, Mr Hersheimer?»
«Nein, Sir», entgegnete der junge Amerikaner mit Nachdruck. «Jedenfalls nicht an das Individuum Brown. Meiner Ansicht nach ist das nichts weiter als ein Deckname. Der eigentliche Kopf ist sicher Kramenin. Das ist eine undurchsichtige Figur, die ihre Finger in allen möglichen Affären hat, in den verschiedensten Ländern – zumindest wäre ihm das zuzutrauen.»
«Da bin ich ganz anderer Meinung», widersprach ihm Sir James schroff. «Mr Brown gibt es.» Er wandte sich an Tommy. «Haben Sie zufällig darauf geachtet, wo das Telegramm aufgegeben wurde?»
«Nein, Sir, das habe ich allerdings nicht.»
«Haben Sie es bei sich?»
«Ich habe es oben, Sir. In meinem Gepäck.»
«Ich würde es mir gern einmal ansehen. Es eilt nicht. Eine Woche haben wir ja bereits verloren.» Tommy ließ den Kopf hängen. «Ein Tag mehr oder weniger macht da auch nichts mehr. Wir befassen uns zunächst einmal mit Jane Finn. Danach machen wir uns an die Arbeit, Miss Tuppence zu suchen. Ich glaube nicht, dass sie sich in unmittelbarer Gefahr befindet. Das heißt, solange die anderen nicht wissen, dass wir Jane Finn in unseren Händen haben und sie ihr Gedächtnis wiedergewonnen hat. Wir müssen das um jeden Preis geheim halten. Ist das klar?»
Um zehn Uhr am nächsten Vormittag fanden sich die beiden jungen Leute an dem verabredeten Ort ein. Sir James gesellte sich zu ihnen. Er war der Einzige, der ruhig wirkte. Er stellte sie dem Arzt vor. «Mr Hersheimer – Mr Beresford – Dr. Roylance. Wie geht es unserer Patientin?»
«Zufrieden stellend. Sie hat offensichtlich keinen Begriff davon, wie viel Zeit verstrichen ist. Heute Morgen hat sie gefragt, wie viele von der Lusitania gerettet wurden. Ob es schon in der Zeitung gestanden hätte und dergleichen. Aber damit musste man rechnen. Irgendetwas scheint sie noch zu bedrücken.»
«Ich glaube, dass wir sie von ihrer Angst befreien können. Dürfen wir hinaufgehen?»
«Natürlich.»
Tommys Herz schlug schneller, als sie dem Arzt nach oben folgten. Jane Finn! Endlich! Wenn nur Tuppence jetzt da wäre, um das triumphierende Ende ihres gemeinsamen Abenteuers mitzuerleben!
Der Arzt öffnete eine Tür und sie traten ein. Auf dem weißen Bett, den Kopf verbunden, lag ein Mädchen. Irgendwie erschien Tommy das alles völlig unwirklich.
Das Mädchen sah mit verwunderten Augen von einem zum anderen. Als erster sprach Sir James.
«Miss Finn», erklärte er, «das ist Ihr Vetter, Mr Julius P. Hersheimer.»
Eine leichte Röte stieg in das Gesicht des Mädchens, als Hersheimer ihre Hand ergriff. «Wie geht es denn, Jane, meine kleine Kusine?», fragte er. Tommy hörte das Zittern aus seiner Stimme heraus.
«Bist du wirklich Onkel Hirams Sohn?», fragte sie erstaunt.
Ihre Stimme mit dem leichten Akzent des Westens war eigenartig faszinierend. Tommy kam sie einen Augenblick bekannt vor, doch er schob diesen Eindruck als völlig unmöglich beiseite.
«Aber sicher!»
«Wir haben immer in der Zeitung von Onkel Hiram gelesen», fuhr das Mädchen mit der leisen, sanften Stimme fort. «Aber ich hätte nie geglaubt, dir eines Tages zu begegnen. Mutter bildete sich immer ein, dass Onkel Hiram ihr nie verzeihen würde.»
«Mein Alter war auch so», gab Hersheimer zu. «Aber die junge Generation ist doch ein wenig anders. Ich jedenfalls habe nichts für solche Familienfehden übrig. Als der Krieg vorbei war, versuchte ich sofort,
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