Ein gefährlicher Gegner
gewöhnliche Leben ist heute teuer genug. Das kann ich dir versichern, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest…»
«Mein Lieber», unterbrach ihn Tuppence, «das brauchst du mir nicht zu erzählen, ich weiß Bescheid. Aber hier ist ein ganz nettes Lokal, gehen wir rein – und jeder bezahlt für sich! Keine Widerrede!»
Das Lokal war voll und sie mussten ziemlich lange nach einem Tisch suchen, wobei sie hier und dort Bruchstücke von Gesprächen aufschnappten.
«Und, weißt du, sie setzte sich einfach hin und weinte, als ich ihr sagte, sie könnte die Wohnung doch nicht haben.» – «Es war tatsächlich ein Gelegenheitskauf, meine Liebe! Genau das Gleiche, das Mabel Lewis aus Paris mitgebracht hat…»
«Komisches Zeug bekommt man hier zu hören», murmelte Tommy. «Ich kam heute auf der Straße an zwei Burschen vorbei, die redeten von einer Jane Finn. Hast du jemals so einen Namen gehört?»
In diesem Augenblick erhoben sich zwei ältere Damen, lasen ihre Päckchen auf, und Tuppence ließ sich geschickt auf einen der freien Stühle gleiten.
Tommy bestellte Tee und Kuchen und Tuppence Tee und Toast mit Butter.
«Den Tee in zwei Kannen», fügte sie streng hinzu.
Tommy setzte sich ihr gegenüber. Ohne Hut kam jetzt sein dichtes, sorgfältig zurückgebürstetes rotes Haar zur Geltung. Sein Gesicht war in sympathischer Weise hässlich – nicht besonders auffällig und doch unverkennbar das Gesicht eines Gentleman und Sportsmanns. Sein brauner Anzug war gut gearbeitet, schien sich jedoch gefährlich den Grenzen seiner Lebensdauer zu nähern.
Auch Tuppence konnte keineswegs als schön gelten, aber in den feinen Zügen ihres schmalen Gesichts lagen Charakter und Charme. Ein energisches Kinn und große, graue Augen, die unter geraden, schwarzen Brauen ein wenig verträumt in die Welt blickten. Auf ihrem schwarzen, kurzen Haar trug sie einen kleinen hellgrünen Hut und ihr äußerst kurzer und ziemlich abgetragener Rock ließ ein Paar ungewöhnlich schlanke Beine sehen. Ihre Erscheinung hatte einen gewissen kühnen Schick.
Endlich kam der Tee. Tuppence löste sich aus tiefem Nachdenken und schenkte ein.
«Also», begann Tommy, nachdem er von seinem Kuchen abgebissen hatte, «wollen wir mal auspacken. Vergiss nicht, ich habe dich seit damals im Lazarett nicht mehr gesehen. Das war 1916.»
«Na gut.» Tuppence kaute mit gutem Appetit an ihrem Toast. «Kurze Lebensbeschreibung von Miss Prudence Cowley, der fünften Tochter des Diakons Cowley in Little Missendell, Suffolk. Miss Cowley hatte die Freuden (und Leiden) ihres Familienlebens schon zu Anfang des Krieges verlassen und war nach London gekommen, wo sie in ein Offizierslazarett eintrat. Erster Monat: jeden Tag sechshundertundachtundvierzig Teller abwaschen. Zweiter Monat: befördert, besagte Teller abzutrocknen. Dritter Monat: befördert zum Kartoffelschälen. Vierter Monat: befördert, Brot und Butter zu schneiden. Fünfter Monat: befördert, ein Stockwerk höher mit Schrubber und Eimer die Aufgaben eines Putzmädchens zu übernehmen. Später befördert bei Tisch zu servieren. Neunter Monat: befördert, die Krankenzimmer auszufegen, wo ich Leutnant Thomas Beresford, einen Freund aus meiner Kindheit, traf, den ich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Dieses Wiedersehen war ergreifend. Am Ende des Jahres das Lazarett verlassen. Danach fuhr die hoch begabte Miss Cowley nacheinander einen Lieferwagen, einen Lastwagen und einen General. Es war ein ziemlich junger General.»
«Wie hieß dieser Affe?», fragte Tommy.
«Seinen Namen habe ich vergessen», sagte Tuppence. «Aber, um fortzufahren, es war wohl der Gipfel meiner Laufbahn. Dann kam ich in ein Büro der Regierung. Dort gaben wir einige Einladungen zum Tee. War nett. Ich hatte damals noch die Absicht, bei der Post zu arbeiten und Schaffnerin zu werden. Um meine Kenntnisse ein wenig abzurunden. Aber da hat mir der Waffenstillstand einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich habe meine Stelle im Büro einige Monate lang noch eisern gehalten, wurde schließlich aber doch abgehalftert. Seitdem suche ich Arbeit. Und nun bist du an der Reihe.»
«Wie du weißt, kam ich erst nach Frankreich. Dann schickten sie mich nach Mesopotamien, wo ich zum zweiten Mal verwundet wurde und in ein Lazarett kam. Danach blieb ich bis zum Waffenstillstand in Ägypten hängen. Und seit zehn aufreibenden Monaten bin ich auf der Jagd nach einer Stellung. Aber es gibt keine. Und wenn es eine gäbe, würde ich sie
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