Ein gefährlicher Gegner
natürlich in Mr Browns Absicht, dass wir ihm den Weg zeigen. Das Haus in Soho steht jedoch Tag und Nacht unter Bewachung. Die Wachtposten lassen es nicht einen Augenblick aus den Augen. Wenn wir dieses Haus betreten, wird Mr Brown alles auf eine Karte setzen, in der Hoffnung, den Funken zu finden, durch den er seine Sprengladung entzünden kann. Er wird das Risiko kaum für zu groß halten – da er als Freund verkleidet auftreten wird!»
Tuppence konnte nicht länger an sich halten und sagte: «Aber es gibt etwas, das Sie noch nicht wissen – wir haben es Ihnen noch nicht erzählt.» Ihre Augen ruhten verwirrt auf Jane.
«Was ist es?», fragte Sir James.
«Es ist so schwierig, verstehen Sie; wenn ich Unrecht hätte, wäre es unverantwortlich.» Sie sah Jane an, die nun wie leblos dalag. «Sie würde mir niemals verzeihen», erklärte sie geheimnisvoll.
«Aber Sie wollen doch, dass ich Ihnen helfe?»
«Ja, Sie wissen, wer Mr Brown ist, nicht?»
«Ja. Endlich weiß ich es.»
«Endlich?», fragte Tuppence. «Aber ich dachte…»
«Seit einiger Zeit sehe ich ziemlich klar – seit jener Nacht, als Mrs Vandemeyer auf so mysteriöse Weise ums Leben kam.» Er machte eine kleine Pause und fuhr dann ruhig fort: «Es gibt nur zwei Lösungen. Entweder hat sie selber die Überdosis genommen, oder aber…»
«Oder…?»
«Oder das Schlafmittel befand sich in dem Kognak, den Sie ihr gaben. Nur drei Menschen haben mit diesem Kognak zu tun gehabt – Sie, ich und Mr Hersheimer!»
Jane Finn rührte sich und richtete sich auf. Sie betrachtete Sir James aus weiten, erstaunten Augen. Sir James fuhr fort: «Zunächst schien es mir völlig unmöglich, Mr Hersheimer zu verdächtigen. Er ist als der Sohn eines vielfachen Millionärs in Amerika eine bekannte Erscheinung. Höchst unwahrscheinlich, dass er und Mr Brown ein und dieselbe Person sein konnten. Man kann sich jedoch nicht der den Tatsachen innewohnenden Logik entziehen. Entsinnen Sie sich noch Mrs Vandemeyers plötzlicher unerklärlicher Erregung? Noch ein Beweis, falls es dessen noch bedürfte.
Ich habe Ihnen schon zu einem frühen Zeitpunkt einen Wink gegeben. Und zwar nach einigen Worten von Mr Hersheimer in Manchester. Ich nahm an, Sie hätten verstanden und würden diesem Wink entsprechend handeln. Ich machte mich dann an die Arbeit, um das Unglaubliche zu beweisen. Mr Beresford rief mich an und erzählte mir, was ich bereits geargwöhnt hatte, dass nämlich die Fotografie von Miss Jane Finn in Wirklichkeit stets in Mr Hersheimers Händen geblieben war.»
Jane sprang auf und rief zornig:
«Was wollen Sie damit sagen? Dass Mr Brown Julius ist – mein eigener Vetter?»
«Nein, Miss Finn. Nicht Ihr Vetter. Der Mann, der sich Julius Hersheimer nennt, ist mit Ihnen nicht verwandt.»
25
S ir James’ Worte schlugen wie eine Bombe ein. Die Mädchen sahen einander völlig entgeistert an. Der Anwalt trat an seinen Arbeitstisch und kehrte mit einem kleinen Zeitungsausschnitt wieder, den er Jane reichte. Tuppence las ihn über ihre Schulter hinweg. Mr Carter hätte ihn wiedererkannt. Er bezog sich auf den geheimnisvollen Mann, den man in New York tot aufgefunden hatte.
«Der Ausgangspunkt meiner Ermittlungen», fuhr der Anwalt fort, «war die unbestreitbare Tatsache, dass Julius Hersheimer kein erfundener Name war. Als ich darüber etwas mehr wusste, war mein Problem gelöst. Es war so: Der richtige Julius Hersheimer hatte es sich in den Kopf gesetzt, festzustellen, was aus seiner Kusine geworden war. So reiste er nach Westen, wo er Nachrichten über sie einholte und die Fotografie bekam, die ihm bei seiner Suche helfen sollte. Am Vorabend seiner Abreise aus New York wurde er überfallen und ermordet. Sein Leichnam war mit einem schäbigen Anzug bekleidet und das Gesicht so entstellt, dass eine Identifizierung unmöglich war. An seine Stelle trat nun Mr Brown. Von jetzt ab tat sich Mr Brown mit den Personen zusammen, die sich verschworen hatten, ihn zur Strecke zu bringen. Jedes ihrer Geheimnisse wurde ihm bekannt. Nur ein einziges Mal war er einer Katastrophe nahe. Mrs Vandemeyer kannte sein Geheimnis. Es störte nicht seinen Plan, dass Miss Tuppence ihr die riesige Bestechungssumme anbot. Wäre Miss Tuppence nicht gewesen, hätte sie die Wohnung schon längst verlassen, als wir dort eintrafen. Und plötzlich war die Gefahr der Entlarvung für Mr Brown so groß wie noch niemals zuvor. Er unternahm einen verzweifelten Schritt, wobei er sich tollkühn auf die
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