Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein gefährlicher Gegner

Ein gefährlicher Gegner

Titel: Ein gefährlicher Gegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
auf der Anklagebank: Der Mann war ein Dummkopf. Ich empfand für ihn tiefe Verachtung. Es waren die Gescheiterten, das Strandgut der Zivilisation, die zum Verbrechen getrieben wurden… Seltsam, dass intelligente Männer diese ungewöhnlichen Möglichkeiten offenbar niemals erkannt hatten. Was für ein großartiges Betätigungsfeld: Welch unbegrenzte Möglichkeiten! Ich war wie berauscht…
    Angenommen, dass meine außerordentlichen Fähigkeiten tatsächlich erkannt würden – dass ich als Anwalt bei höchsten Gerichten berufen würde… Angenommen, dass ich mich politisch betätigte und eines Tages, sagen wir, vielleicht sogar Premierminister würde… Was dann? War das ein wirklich großes Ziel? War das Macht? Überall eingeengt und von dem demokratischen System, dessen Exponent ich dann sein würde, gefesselt? Nein – die Macht, von der ich träumte, war absolut. Die Diktatur! Eine solche Macht aber ließ sich nur außerhalb der Gesetze erringen. Man musste die Schwäche der menschlichen Natur ausnutzen… Man musste eine schlagkräftige Organisation schaffen, um schließlich die bestehende Ordnung umzustoßen und zu herrschen!
    Ich sah, dass ich ein Doppelleben führen musste. Ich musste eine erfolgreiche Karriere machen, hinter der ich meine eigentliche Tätigkeit verbergen konnte. Auch musste ich mich zu einer bestimmten, fest umrissenen Persönlichkeit entwickeln. So nahm ich mir berühmte Kronanwälte zum Vorbild, ahmte ihre Gewohnheiten nach, studierte das Wesen ihrer Anziehungskraft. Wäre ich zur Bühne gegangen, so wäre ich wohl der größte Schauspieler der Welt geworden. Keine Verkleidung, keine Schminke, kein falscher Bart. Nur die Verwandlung in eine andere Persönlichkeit. Ich schlüpfte in sie hinein wie in eine neue Haut. Warf ich sie ab, war ich wieder ich selber: still, unauffällig, ein Mann wie jeder andere auch. Ich nannte mich Mr Brown. Es gibt tausende dieses Namens, es gibt tausende, die genauso aussehen wie ich…
    In meinem offiziellen Beruf hatte ich Erfolg. Er konnte gar nicht ausbleiben. Ich werde auch in dem anderen Erfolg haben. Ein Mann wie ich kann ganz einfach nicht versagen…
    Ich habe eine Biographie über Napoleon gelesen. Er und ich haben vieles gemeinsam…
    Ich spezialisiere mich darauf, Verbrecher zu verteidigen. Ein Mann sollte sich um seinesgleichen kümmern…
    Ein- oder zweimal hatte ich Angst. Das erste Mal in Italien. Eine Einladung zum Abendessen. Professor D. der berühmte Nervenarzt, war anwesend. Das Gespräch wandte sich den Geisteskrankheiten zu. Er sagte: ‹Sehr viele große Männer sind irre und niemand weiß es. Sie wissen es ja selber nicht.› Ich verstehe nicht, warum er mich dabei ansah. Es war ein seltsamer Blick. Er gefiel mir nicht…
    Es geht alles nach meinen Wünschen. Ein Mädchen ist hereingeplatzt; ich glaube nicht, dass es wirklich etwas weiß. Wir müssen jedoch die ‹Estnische Glaswaren-Gesellschaft› aufgeben. Jetzt darf man nichts aufs Spiel setzen…
    Alles geht gut. Der Verlust des Gedächtnisses ist störend. Es kann sich dabei nicht um Simulieren handeln. Kein Mädchen könnte mich täuschen!
    Der Neunundzwanzigste… Das ist sehr bald…» Mr Carter hielt inne. «Ich will nicht auf die Einzelheiten des geplanten Staatsstreichs eingehen. Aber hier sind noch zwei kleine Eintragungen, die sich auf Sie drei beziehen. In Anbetracht der Ereignisse sind sie interessant: Indem ich das Mädchen dazu veranlasste, von sich aus zu mir zu kommen, ist es mir gelungen, sie unschädlich zu machen. Sie hat jedoch intuitive Eingebungen, die gefährlich werden könnten. Man wird sie aus dem Weg räumen müssen. Mit dem Amerikaner kann ich nichts anfangen. Er ist misstrauisch und kann mich nicht leiden. Aber er kann nichts wissen. Meine Tarnung ist völlig undurchsichtig. Manchmal fürchte ich, dass ich den anderen jungen Mann unterschätzt habe. Es ist schwierig, ihm Tatsachen zu verheimlichen. Er sieht alles…» Mr Carter schlug das Buch zu. «Was für ein Mann. Genie oder Wahnsinn, wer vermag das zu entscheiden?»
    Es folgte ein Schweigen.
    Dann erhob sich Mr Carter. «Ich möchte mein Glas erheben – auf die Jungen Abenteurer, deren Erfolg sie so glänzend gerechtfertigt hat!»
    Unter großem Beifall stießen alle an.
    «Aber wir möchten noch etwas anderes hören», fuhr Mr Carter fort. Er sah den amerikanischen Botschafter an. «Ich spreche, wie ich weiß, auch für Sie. Wir möchten Miss Jane Finn bitten, uns ihre Geschichte zu erzählen,

Weitere Kostenlose Bücher