Ein gefährliches Geschenk
Bedürfnissen. Die Tatsache, dass beides Frauen waren, sogar attraktive Frauen, tut nichts zur Sache - und ich bezweifele, dass er eine Ehefrau oder eine ernsthafte Beziehung hat, denn das stünde im Widerspruch zu seiner Selbstbezogenheit. Es gibt keine sexuell motivierten Beweggründe, trotz seiner Romanze mit Tina Cobb, denn diese war nur Mittel zum Zweck, aber zu seinen eigenen Bedingungen.«
»Sie an Orte mitzunehmen, die er bevorzugte, sollte seinen überlegenen Intellekt und Geschmack beweisen.«
»Genau. Keiner der Morde hatte etwas Persönliches. Er sieht das große Bild aus seinem eigenen, eingeschränkten Blickwinkel. Cobb konnte er instrumentalisieren und ausbeuten.
Das tat er dann auch. Er plant und überlegt, und daraus folgt, dass er wusste, er könnte sie töten, wenn sie für ihn keinen Nutzen mehr hatte. Er kannte sie, hat es darauf angelegt, sie zu kennen. Er kannte ihr Gesicht, die Berührung ihrer Hand, den Klang ihrer Stimme, war womöglich sogar körperlich intim mit ihr, wenn ihn das seinem Ziel näher brachte, und dennoch bestand für ihn keine persönliche Bindung.«
»Er hat ihr Gesicht zerstört.«
»Ja, aber nicht aus Wut, nicht aus einer persönlichen Gefühlsregung heraus. Aus Selbstschutz. Beide Morde waren das Ergebnis seines Bedürfnisses nach Selbstschutz. Er entfernt, zerstört, eliminiert alles oder jeden, der sich seinem Ziel oder seiner persönlichen Sicherheit in den Weg stellt.«
»Aber als er Cobb eliminierte, war Gewalt im Spiel.«
»Ja.«
»Er hat ihr wehgetan. Um Informationen aus ihr herauszubekommen?«
»Wäre möglich. Wahrscheinlicher aber ist, dass er die Polizei in die Irre führen wollte, sie glauben machen wollte, es sei ein Mord aus Leidenschaft. Es mag beides gewesen sein.
Er dürfte überlegt haben. Er hat Zeit zum Überlegen. Er nahm Cobb an Orte mit, wo es von Menschen wimmelte - weg von ihrer Ägide. Aber seine Wahl spiegelt einen gewissen Stil wider. Kunst, Theater, ein im Trend liegendes Restaurant.«
»Spiegelt seine Ägide wider.«
»Er hat es offenbar gern angenehm, ja.« Der erste Salatteller kam durch den Schlitz, und Mira stellte ihn vor Eve. »Er ist in Gannons Haus eingedrungen, als er wusste, dass sie nicht da war. Er hat darauf geachtet, die Alarmanlage auszuschalten, die Disketten mit den Aufzeichnungen mitzunehmen. Um sich zu schützen. Er brachte eine Waffe mit - obwohl er davon ausging, dass das Haus leer war, brachte er sein Messer mit. Er bereitet sich auf Eventualitäten vor, macht Umwege, wenn es nötig ist. Er hat keinen Versuch unternommen, das Eindringen und den Mord als einen schief gelaufenen Einbruch zu kaschieren, indem er Wertgegenstände mitnahm.«
»Weil das bereits passiert war? Weil Alex Crew diese Methode bei Laine Tavish angewandt hat?«
Mira nahm den zweiten Teller und lächelte. »Daran erkennt man das mächtige Ego, nicht wahr? Er will nichts wiederholen, er will erschaffen. Dazu der Respekt vor Kunst und Antiquitäten. Er betreibt keinen Vandalismus, zerstört keine Kunstwerke, keine wertvollen Möbel. So etwas empfände er als unter seiner Würde. Er kennt sich in diesen Dingen aus, besitzt wahrscheinlich selbst auch welche. Strebt ganz gewiss danach, welche zu besitzen. Aber wäre es nur Verlangen, hätte er mitgenommen, was seinem Sinn für Ästhetik entsprach oder seiner Habsucht. Er ist sehr eingeschränkt.«
»Er ist also gebildet und kultiviert?«
»Kunstgalerien, Museen, West Village Theater?« Mira hob die Schultern. »Er hätte das Mädchen auch mit nach Coney Island nehmen können, zum Time’s Square, zu einem Dutzend Plätzen, zu denen ein junger Mann aus dem gleichen Umfeld wie sie ein Mädchen zu einem Rendezvous ausgeführt hätte. Aber das hat er nicht.«
»Weil es, wie der Diebstahl von Kunstwerken und Elektronik, unter seiner Würde gewesen wäre, in Coney Island lediglich Würstchen zu essen.«
»Hm.« Mira pickte in ihrem Salat herum. »Es geht ihm nicht um Ruhm und Berühmtheit oder Aufmerksamkeit. Er ist nicht auf der Suche nach Sex oder auch nur Reichtum im herkömmlichen Sinn. Er sucht etwas ganz Spezielles.«
»Alex Crew hatte einen Sohn.«
Miras Brauen gingen nach oben. »Tatsächlich?«
»Ein Kind zu der Zeit, als das alles passierte.«
Sie informierte Mira und ließ die Ärztin dann die neuen Daten verarbeiten, während sie aß.
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Der Sohn hört von dem Buch oder liest es und erfährt dabei, dass eine Nachfahrin seines früheren
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