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Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Christie Murray
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ich habe telegraphiert!«
    J. P. starrte ihn mit großen, runden Augen und etwas geöffnetem Mund an, als ob er im Begriff stünde, zu blöken.
    »Ich habe kein Telegramm erhalten,« sagte er ängstlich, »wohin hast du es geschickt?«
    »In meine Kanzlei und zwar sofort nach Empfang des deinigen!«
    »O,« erwiderte J. P., »das erklärt alles! Ich bin heute morgen nicht dort gewesen, sondern habe zu Hause auf Antwort gewartet. Und was hast du telegraphiert?«
    »Ich habe telegraphiert: ›Alles in Ordnung. Sei dochkein so alter Esel!'« Damit legte er beide Hände auf J. P.'s Schultern und schüttelte ihn freundschaftlich. »Mach, daß du heim kommst, alter Knabe,« sagte er mit seinem freundlichsten Lächeln, »und sei ohne Sorge.«
    »Nun,« entgegnete J. P. in zweifelndem Ton, »wenn du das sagen kannst, so nimmst du mir eine Last vom Herzen, denn ich habe gestern in der City gehört, du setzest Himmel und Erde in Bewegung, um hundertundfünfzig Pfund aufzutreiben, und dies machte mich ängstlich. Denn siehst du, Esden,« stammelte er in entschuldigendem Ton, »es wäre schrecklich, wenn ich den Wechsel decken müßte. Sechs Mädchen, wie du weißt, und alle gesund und mit einem unglaublichen Appetit gesegnet. Dazu kommt, daß Frau P. –« wie es schien, mußte sich auch die arme Dame mit einem verkürzten Nachnamen begnügen – »sehr leidend und schwach ist. Wir haben noch ein weiteres Dienstmädchen für die Kinder nehmen müssen und die Doktorsrechnungen sind entsetzlich.«
    »Ich weiß, alter Junge, ich weiß,« erwiderte Esden, eine Hand auf seine Schulter legend, während sein Herz voll Mitleid und Reue war. »Du sollst nicht darunter leiden müssen, J. P. Das müßte schon ein hartherziger Teufel sein, der dich schädigen wollte.«
    »Also, ich kann mich auf dich verlassen?« sagte J. P.
    »Du kannst dich ganz auf mich verlassen,« antwortete Esden.
    Er begleitete J. P. nach der Bahnstation zurück und mußte auf dem ganzen Weg leichtherzig und vergnügt erscheinen. J. P. fuhr getröstet ab und Esden ging bitter unglücklich zurück. Er hatte eigentlich nur ein wahres Wort gesprochen: es wäre wirklich gemein, ein so harmloses Geschöpf zu schädigen. Allein wie er dies verhindern und der Schande, die auf ihn zu fallen drohte, entgehen sollte – das vermochte er nicht zu ergründen.

Sechstes Kapitel.
    Die milde Frau Wyncott betrachtete die Fortschritte, die ihr abgebrannter Neffe in der Gunst der reichen Erbin machte, mit wachsender Genugthuung. Sie war der Ansicht, daß ein bekehrter Lebemann den besten Ehemann abgebe, was beinahe ebenso wahr ist, als daß ein Taschendieb, der sich vom Geschäft zurückgezogen hat, der zuverlässigste Vermögensverwalter wird. Esden war seiner Zeit unzweifelhaft etwas leichtsinnig gewesen und seine Tante hatte ihm sogar einmal seine Schulden bezahlt, allein nach dieser gütigen That ihn auch mit einer so ausgesprochenen Kälte behandelt, daß sich Esden, der bedeutende Erwartungen von ihr zu hegen berechtigt war, veranlaßt sah, ihr einen gewissen finanziellen Wohlstand vorzuspiegeln, von dem er weit entfernt war. Ja, er war sogar so weit gegangen, ihr Rückzahlung anzubieten, und bei dieser Gelegenheit hatte ihm die alte Dame viel Liebe gezeigt und eine Thräne der Rührung über den gebesserten Verschwender vergossen. Ihrer Ansicht nach schadete es gar nichts, wenn sich ein junger Mann die Hörner ablief. Ursprünglich war ihr Arnold von ihren beiden Neffen der liebere gewesen, allein dieser war Geistlicher geworden, und da sie von ihrem Vater, der in den schrecklichen neunziger Jahren ein ausgesprochener Whig gewesen war, einige dunkle Begriffe von der Gottheit der Vernunft überkommen hatte, erschien ihr die Kirche zwar als eine ehrwürdige, aber etwas altmodische, kindische Einrichtung. Trotz ihrer Ansichten und ihres Wunsches, er möchte in die Garde eintreten, hatte Arnold den kirchlichen Beruf gewählt, und schließlich war ihr der Bruder Liederlich lieber geworden als der Diener Gottes.
    Ueber diesen Punkt lag sie mit ihrer Tochter Edith in offener Fehde. Edith war eine treue Anhängerin der Kirche und mißbilligte Mamas freidenkerische Ansichten, so unbestimmt und harmlos diese auch waren. Das alte Mädchen war hinter ein Geheimnis gekommen, für das ihre Mutter blind zu sein schien. Arnold liebte nämlich Fräulein Pharraufrichtig, wurde aber durch den Gedanken an ihren Reichtum abgehalten, sich ihr zu nähern, und dies Geld, das den bessern und

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