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Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Christie Murray
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lassen. Ganz abgesehen davon, daß es geradezu erbärmlich wäre, ein so hilfloses Menschenkind zu schädigen, war es auch gefährlich, einen Menschen von J. P.'s Temperament zu verletzen, denn er würde der ganzen Welt sein Leid klagen und die Sache an die große Glocke hängen. Wäre die andre Gesellschaft nicht so sehr in ihre Unterhaltung vertieft gewesen, so hätte Esdens plötzliche Niedergeschlagenheit und die gemachte Heiterkeit, mit der er sie zu bemänteln versuchte, nicht unbemerkt bleiben können. Zum Teufel mit J. P.! Was brauchte er denn jetzt zu heulen – jetzt schon! Er konnte ja heulen, wenn die Zeit gekommen war. Esden war wütend darüber, daß J. P. seiner wiederholten Versicherung keinen Glauben schenkte.
    Kaum war das Frühstück vorüber, so wurde Kriegsrat gehalten, und nachdem jedem etwas zu tragen aufgehalst worden war, machte sich die Gesellschaft mit Fräulein Pharrs funkelnagelneuem Apparat auf die Suche nach landschaftlichen Schönheiten in Wootton Wood. Das Gabelfrühstück sollte an einem zuvor bestimmten Punkte eingenommen werden, und die drei Photographen wollten sich bis dahin die Gelegenheit möglichst zu nutze machen.
    Sie waren eben an ihrem Bestimmungsort angelangt und emsig mit Aufnehmen oder Zuschauen beschäftigt, als der Gärtnerjunge vom Hause atemlos erschien und Esden ein Telegramm überbrachte. Auch dies kam von J. P., und Esden, der etwas beiseite getreten war, um es zu lesen, brach in Verwünschungen gegen den Absender aus, bis er des sonngebräunten Jungen neben sich ansichtig wurde, der ihn mit offenem Mund und Augen anglotzte. Am liebsten hätte er dem Jungen geschwind den Hals umgedreht, allein der Humor gewann bei ihm rasch die Oberhand und er fing an zu lachen. »Um Gotteswillen telegraphiere,« lautete J. P.'s Botschaft, und Esden riß ein Blatt Papier aus seinem Taschenbuch und kritzelte eine Antwort darauf. »Alles in Ordnung. Sei doch kein so alter Esel.« Dies übergab er dem Jungen mit einer halben Krone und hieß ihn sich schleunigst damit nach dem Postamt verfügen.
    »Muß ich zurückbringen, was ich herausbekomme?« fragte der Junge.
    »Nein,« erwiderte Esden, »du kannst es behalten.«
    Der Junge strahlte vor Glück und entfernte sich. Sobald er sich unbeachtet wähnte, wirbelte er seinen Hut in die Luft und begann in seinen reichlich großen Stiefeln einen Freudentanz aufzuführen. Fräulein Pharr sowohl als Esden beobachteten ihn und brachen in fröhliches Gelächter aus.
    »Sie haben heute doch schon ein Herz erfreut, Herr Esden,« sagte sie scherzend.
    Dies gab Esden sein Gleichgewicht wenigstens zur Hälfte zurück; allein J. P. wollte sich nicht abschütteln lassen. Es gab Augenblicke, in denen er leibhaftig gegenwärtig erschien mit seiner halbmondförmigen Nase und seinem halboffenen kläglichen Mund, so daß er Esden förmlich verhaßt wurde und er ihn gerne geprügelt hätte, falls dies von irgend welchem Einfluß auf die Sache selbst gewesen wäre.
    Bei all diesen Nebengedanken mußte er doch überaus lebendigen Anteil an Fräulein Pharrs Operationen nehmen, die von dem Arzt und Fräulein Wyncott mit allerlei Ratschlägen unterstützt wurden. Der Platz war aber auch einkleines Paradies an landschaftlicher Schönheit, und fast bei jedem Schritt entfaltete sich ein neues Bild. Selbst als die Aufnahmen durch die Ankunft des Gabelfrühstückes unterbrochen wurden, war Fräulein Pharrs dilettantischer Kunstheißhunger noch lange nicht gestillt.
    Das Tischtuch wurde auf einem kleinen Rasen am Ende des Waldes ausgebreitet und von diesem Punkt aus hatte man die Aussicht auf das Haus und den Pfad, der sich durch die Felder nach ihm hinschlängelte. Sie hatten ihr Mahl noch nicht halb beendet, als Esden mit einem ungeduldigen Ausruf aufsprang, denn J. P.'s hinfällige Gestalt war in Begleitung des Gärtnerjungen auf dem Fußpfad aufgetaucht.
    »Was gibt's, Wyncott?« fragte der Arzt.
    »Der langweiligste, unausstehlichste Mensch in ganz Europa,« lautete die Antwort; »er ist ein Klient von mir, dazu auch noch ein näherer Bekannter. Darauf fußt er und kommt, um seine Sache mit mir zu besprechen. Ich werde ihn aber schön abfertigen!«
    Mit diesen Worten schritt er dem unwillkommenen Besucher entgegen, der ihm schon von weitem mit dem Stock winkte.
    »Nun, lieber Junge, was willst du denn hier?« fragte Esden ungeduldig.
    »Nun, siehst du,« stammelte der Gast hinter seiner Nase hervor, »du hättest telegraphieren sollen, Esden.«
    »Zum Henker,

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