Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Christie Murray
Vom Netzwerk:
Rettung gewesen, wenn er ihn hätte finden können, allein das tückische Geschick hatte es anders beschlossen, und er sah sich zu Grunde gerichtet und bloßgestellt. J. P. würde reden, die Sache würde Frau Wyncott zu Ohren kommen, Fräulein Pharr mußte es erfahren und die goldenen Träume der letzten Tage sanken in sich zusammen. In einem Zustand gänzlicher Verzweiflung hatte er den Feldweg von Hemsleigh nach Wootton Hill eingeschlagen.
    Was Wyncott wollte, das wollte er ganz und immer sogleich; er hatte sich daran gewöhnt, diesen Charakterzug, der all seinen Wünschen eine leidenschaftliche Ungeduld beimischte,als einen Beweis seiner Willenskraft zu betrachten, heute aber hatte er ihm nur eine Steigerung seines Elends zu verdanken.
    Am Hause angelangt, hatte er dessen sämtliche Bewohner auf dem Rasenplatz versammelt gesehen und mit entsetzlicher, unwiderstehlicher Gewalt hatte sich ihm der Gedanke an das unselige Werkzeug Gales und die Thatsache aufgedrängt, daß die Juwelen ganz im Bereich seiner Hand lagen. Später dachte er oft, es habe etwas Diabolisches in den Umständen gelegen, unter welchen die Versuchung an ihn herangetreten war. Alle Hindernisse waren aus dem Weg geräumt. Er wollte Fräulein Pharr nicht berauben; in tiefster Seele bebte er vor dem bloßen Gedanken daran zurück. Wie hätte auch ein Mann von seiner Herkunft und Erziehung den Gedanken ertragen können, ein Dieb zu sein? Allein mit den Edelsteinen in seinem Besitz konnte er sich in Gestalt einer Belohnung ein Darlehen verschaffen, das er später bei Heller und Pfennig gewissenhaft zurückbezahlen wollte. Seine Lage war verzweifelt – die Zeit drängte; ehe er recht zum Bewußtsein gekommen war, schlich er sich, die gestohlenen Juwelen in der Reisetasche, hinter der Hecke hin. Doch nein! Nicht gestohlen – nur geborgt!
    Von Scham und Schuldbewußtsein, von Triumph und Angst völlig verwirrt, gelangte er nach seiner Wohnung in London zurück, wo er über eine Stunde dazu brauchte, seine aufgeregten Nerven zu beruhigen. Schließlich erwies sich der seiner Natur entsprechende Gedankenprozeß als die beste Arzenei. Es lag ja eigentlich gar kein Diebstahl vor, nur ein Vorenthalten. Die Juwelen wurden zurückgegeben, sobald die Belohnung bezahlt war, und die Anstrengungen, die er zu ihrer Wiedererlangung machen wollte, mußten ihn noch in der Gunst der Erbin fördern. Die Summe, die nach Bezahlung seiner drückendsten Schulden etwa noch übrig blieb, sollte auf das Gewissenhafteste zurückgelegt werden. Er selbst kam rasch vorwärts, und nach seinem neuesten Erfolg mußte er in kürzester Frist auch zu einem guten Einkommen gelangen. Er beschloß, zu leben wie ein Anachoret und zu arbeiten, wie er in seinem ganzen Leben noch nicht gearbeitet hatte.Jedenfalls war die Sache geschehen, und es gibt nichts Unfruchtbareres, als über geschehene Dinge zu jammern. Wie schon früher kämpfte er seine Selbstverachtung nieder und es gelang ihm beinahe, sich zu überzeugen, daß er ganz tadellos dastehe.
    Die Entdeckung, daß er die eine Hälfte des Werkzeugs verloren hatte, erschreckte ihn. Da er sich des Weges genau erinnerte, so beschloß er, es zu suchen. Aber selbst wenn er es nicht fand, konnte er dadurch nicht mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Mangel an Mut gehörte nicht zu seinen Fehlern, und er sagte sich, es sei noch immer Zeit genug, sich zu ängstigen, wenn Gefahr in Sicht sei. Als er den Brief des betrübten Vaters schrieb und nachher beschmutzte und zerknitterte, fand er einen gewissen bittern Humor in seiner Lage und begrüßte diese Empfindung als einen Beweis von Selbstbeherrschung und Kaltblütigkeit. Er beschloß, sich selbst mit den Unterhandlungen betrauen zu lassen, und der Gedanke, daß er die andre Partei nicht gerade schwierig finden würde, entlockte ihm tatsächlich ein Lächeln. Ohne ein Gefühl der Bitterkeit ging es natürlich nicht ab, allein nun mußte die einmal begonnene Sache auch durchgeführt werden, und in einigen Monaten konnte er sich durch Rückzahlung des Geldes seine Selbstachtung wieder erkaufen. Wohl war das Darlehen in nicht gerade hergebrachter Form aufgenommen worden, allein es deshalb einen Diebstahl zu nennen oder sich allzu hart zu beurteilen, wäre reine Schwäche gewesen.
    So weit hatte er sich mit sich selbst abgefunden, aber seine Gemeinschaft mit Gale, dem gemeinen Schurken, dem eingefleischten Verbrecher war entsetzlich, ganz abgesehen davon, daß die Ausführung seines eigenen

Weitere Kostenlose Bücher