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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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dort hängen zu sehen, im wirklichen Raum, weniger als eine Mikrosekunde entfernt, leuchtend blau und weiß (oder schwarzer Samt mit verstreuten Lichtsplittern), wobei sich ihr ausgedehntes, unschuldiges Gesicht ständig verwandelte. Ich erinnere mich, daß ich sie gelegentlich stundenlang betrachtete und die trägen Wirbel des Wettermusters beobachtete, wenn wir in Relation zu ihr stillstanden, oder die rollende Rundung der Wasser-, Wolken- und Landmassen ansah, wenn wir uns bewegten. Sie sah gleichzeitig gelassen und warm aus, unerreichbar und verletzlich. Die widersprüchliche Eigenart dieser Eindrücke beängstigte mich aus Gründen, die ich nicht schlüssig zu erklären vermochte, und trugen zu einem dumpfen Gefühl der Besorgnis bei, das ich von Anfang an hatte, daß nämlich dieser Ort irgendwie der Vollkommenheit etwas zu nahe kam, daß er zu sehr dem Lehrbuch entsprach, mehr, als es seinem eigenen Wohl zuträglich war.
    Ich machte mir natürlich darüber meine Gedanken. Selbst während die Willkür sich noch drehte und ihre Geschwindigkeit verringerte und dann durch die alten Radiowellen auf dem Weg zu ihrem Ursprung dahineilte, grübelte sie einerseits nach und sendete andererseits Signale an den Universal-System-Transporter Schlecht Fürs Geschäft, der sich eintausend Jahre kernwärts herumtrieb und den wir erst ein Jahr zuvor nach einer Ruhepause und Generalüberholung verlassen hatten. Mit wem die Schlecht sonst noch Verbindung aufgenommen haben mag, um beim Grübeln über das Problem behilflich zu sein, findet sich vermutlich irgendwo in den Aufzeichnungen, aber mir erschien das nicht wichtig genug, um es herauszusuchen. Während die Willkür anmutige Kraftkreise um die Erde drehte und die großen Gehirne abwägten, ob es besser sei zu kontaktieren oder lieber nicht, waren die meisten von uns auf der Willkür emsig mit Vorbereitungen beschäftigt.
    Während der ersten Wochen seines Aufenthaltes verhielt sich das Schiff wie ein riesiger Schwamm, indem es jeden Schnipsel, jedes bißchen Information aufsog, das es irgendwo auf dem Planeten finden konnte, und jedes Tonband und jede Magnetkarte und Datei und Diskette und jeden Mikro- und sonstigen Film und jede Anschauungstafel und jedes Blatt Papier und jede Bildschirmanzeige durchstöberte, alles aufzeichnete und filmte und fotografierte, vermaß und in tabellarischen und grafischen Darstellungen festhielt, sortierte und verglich und analysierte.
    Ein Bruchteil dieser Datenlawine (es wirkte wie ein ungeheurer Wust, aber in Wirklichkeit war es verschwindend wenig, wie uns das Schiff versicherte) wurde in die Köpfe derjenigen von uns gestopft, deren physische Voraussetzungen ausreichend waren, daß sie auf der Erde als Menschen durchgehen konnten, nachdem sie kleinen Veränderungen unterzogen wurden. (Ich habe ein Paar Extra-Zehen bekommen, an jedem Finger wurde ein Glied entfernt, und meinen Ohren, der Nase und den Wangenknochen wurde eine ziemlich durchschnittliche Form verpaßt. Das Schiff bestand außerdem darauf, mir eine andere Gangart beizubringen.) Anfang des Jahres 77 sprach ich fließend Deutsch und Englisch und wußte wahrscheinlich mehr über die Geschichte und die gegenwärtigen Verhältnisse des Planeten als die große Mehrzahl seiner Bewohner.
    Ich kannte Dervley Linter einigermaßen gut, aber schließlich kennt jeder ungefähr jeden auf einem Schiff mit nur dreihundert Leuten an Bord. Wir waren gleichzeitig auf der Schlecht Fürs Geschäft gewesen, doch wir begegneten uns erst, nachdem wir beide auf die Willkür gekommen waren. Wir gehörten beide etwa seit der Hälfte der Standarddienstzeit dem Kontakt an, so daß keiner von uns direkt Neuling war. Das macht für mich den nachfolgenden Ablauf der Handlungen doppelt rätselhaft.
    Ich war für den Januar und Februar nach London abgestellt worden und verbrachte die Zeit damit, mich in den Museen herumzutreiben (und Ausstellungsstücke zu betrachten, von denen das Schiff bereits perfekte 4D-Holos besaß, ohne jene in Kisten verpackten Kunstwerke zu Gesicht zu bekommen, die in irgendeinem Keller oder sonstwo unzugänglich verstaut waren und von denen das Schiff ebenfalls perfekte Holos hatte), ins Kino zu gehen (und Filme zu sehen, von denen das Schiff natürlich astreine Kopien hatte) und – was vielleicht bedeutender war – Konzerte, Theater, Sportveranstaltungen und alle Arten von Versammlungen und Kongressen zu besuchen, über die das Schiff etwas in Erfahrung bringen konnte. Einen

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