Ein Geschenk der Kultur
Unterhaltung/Auseinandersetzung, ausgelöst durch ein Buch (durch zwei Bücher), und beide Male scheinen Argumente gegen den Glauben irgendwie mit der Reise in Zusammenhang zu stehen; Bus, Bahn, Flugzeug; eine Reise-Dreifaltigkeit zweckmäßiger Technologie im Vergleich und Gegensatz zu paranoiden Psychosen religiöser Gläubigkeit.
Was macht man mit solchen Leuten? (Ungeachtet dessen, was sie möglicherweise mit uns machen, wenn sie die Peitsche in die Hand bekommen; welche Chance hätte ich wohl, eine Vorlesung über ›Vernunft und Mitleid in der Dichtung des zwanzigsten Jahrhunderts‹ in Teheran zu halten?). Vernunft gestaltet die Zukunft, doch der Aberglaube verpestet die Gegenwart.
Und Zufälle überzeugen die Leichtgläubigen. Zwei Dinge ereignen sich zur selben Zeit oder nacheinander, und wir unterstellen, daß eine Verbindung bestehen muß; nun, wir haben letztes Jahr eine Jungfrau geopfert, und es wurde tatsächlich eine gute Ernte. Natürlich funktioniert eine Zeremonie, durch die die Sonne aufgehen soll – sie kommt ja schließlich jeden Morgen, oder nicht? Ich spreche jeden Abend brav mein Gebet, und siehe da, die Welt ist noch nicht untergegangen…
Mistkäferdenken. Das Leben ist zu kompliziert, als daß es nicht andauernd Zufälle gäbe, und wir müssen uns damit abfinden, daß sie einfach geschehen und keine Fügung dahintersteckt, daß sich manche Dinge aus keinem wie auch immer gearteten Grund ereignen und daß weder das eine eine Strafe noch das andere eine Belohnung ist. Meine Güte, der hieb- und stichfesteste, kratz- und schlagsicherste Beweis für ein göttliches Eingreifen, für eine Art heiligen Masterplan, wäre doch, wenn es überhaupt keine Zufälle gäbe! Das wäre wirklich sehr verdächtig.
Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich derjenige, der sich auf dem Holzweg befindet. Ich will nicht sagen, daß weder die Christen noch die Moslems tatsächlich die Wahrheit haben, daß weder das greisenhafte Geseires in Rom noch die hysterischen Klimmzüge in Ghom etwas enthalten, das entfernt der wirklich entscheidenden Erkenntnis nahekommt: Woher kommen wir? und Was ist der Sinn?, sondern daß beides möglicherweise das darstellt, was die Menschheit in Wirklichkeit sein möchte; vielleicht sind es ihre getreuesten Abbilder. Vielleicht ist die Vernunft der Irrweg. (Denken zerstört!)
Ein kleines Mädchen – lange lockige blonde Haare, große blaue Augen, mit einer dieser verschüttsicheren Plastiktassen in den Patschhändchen – ist soeben in dem Gang neben mir aufgetaucht; ihr Gesichtsausdruck ist sehr ernst. Sie starrt mich mit der gleichgültigen Eindringlichkeit an, zu der nur Kinder fähig zu sein scheinen. Schon ist sie wieder weg.
Welche unglaubliche Schönheit! Aber woher weiß ich, ob ihre Eltern nicht christliche Fundamentalisten sind und sie in dem strengen Glauben aufwächst, Darwin sei ein Handlanger des Bösen und die Evolutionstheorie ein gefährlicher Unfug?
Ich vermute, ich werde es nie wissen. (He! Ich habe das Wort ›vermute‹ gebraucht anstatt ›nehme an‹!) Ich vermute, ich werde es nie wissen, und es würde auch keinen Unterschied machen. Sollen die Verrückten doch steinerne Gesetzestafeln verbrennen und der Bundeslade auf dem Berg Ararat nachjagen; sollen sie doch in blinder Dummheit verharren, während wir in die Zukunft blicken. Wir müssen nur hoffen, daß es stets mehr von unserer Sorte als von denen gibt oder zumindest, daß wir einflußreicher sind, an besseren Stellen wirken. Wie auch immer.
Wie auch immer, genau. Ich rieche was zu essen. Meine Bogengänge des Innenohrs sagen mir – wenn ich mich nicht täusche –, daß wir allmählich in die Waagerechte gehen, unsere Reisehöhe erreicht haben. Draußen vor den Fenstern ist es dunkel. Letzter Zufall:
Ich habe es nicht ausdrücklich erwähnt, aber die kleine blöde Stadt – häßlich, regengetränkt – in dem Gedicht ›Jack‹ hieß Lockerbie (das einzige Mal, daß du wahrscheinlich den Namen dieses Ortes gesehen oder gehört hast, war auf unserer Fahrt nach Schottland – er liegt ziemlich nah an der A74, nicht weit hinter der Grenze), und – nach der anschaulichen Streckenkarte in meiner mir ganz persönlich als Flugbegleitung zugedachten Pan-Am-Zeitschrift – fliegen wir direkt darüber. Ich schätze, der alte Jack hat längst den Löffel aus der Hand gelegt, um sich die wie immer geartete Belohnung einzuheimsen, die ihm seiner Meinung nach zusteht, aber wenn er nicht tot ist und wenn er heute
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