Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swan Karen
Vom Netzwerk:
etwas schäbig, obwohl Kelly ihr versichert hatte, dass die Upper East Side von Manhattan das exklusivste Wohnviertel war. Wer war sie schon, dem widersprechen zu können? Sie hatte die letzten zehn Jahre in der Wildnis verbracht.
    Es ging vorbei an flaschengrünen, weinroten und marineblauen Markisen, die sich wie Arme über den Gehsteig reckten. Türsteher in gepflegten grauen, mit Goldlitze verzierten Uniformen standen darunter vor Drehtüren und sprangen gelegentlich nach vorne, um einem ältlichen Hausbewohner aus dem Taxi oder der Limousine zu helfen. Schoßhündchen wurden wie Taschen herumgetragen, wahrscheinlich, um sie vor den Beinen der Passanten zu schützen, die sich wie in einem perfekt synchronisierten Tanz die Gehsteige entlangbewegten, den Blick stur geradeaus gerichtet.
    Die Gebäude waren, zugegeben, recht stattlich. Zu ihrer Freude bemerkte sie, dass Kellys Block brandneue rote Markisen hatte. Die würden es ihr leichter machen, die Wohnung wiederzufinden. Der Türsteher, ein schlanker, silberhaariger Mann um die fünfzig, begrüßte sie wie eine lang verschollene Bekannte. Aber Cassie war der Blick nicht entgangen, mit dem er sie gemustert hatte, als sie aus dem Taxi stieg. Sie konnte sich vorstellen, wie sie aussah: An ihren Gartenschuhen klebten zähe Erdbrocken, und ihr alter Woolworth-Anorak, der mit seinen grauen und rosa Applikationen im schottischen Regenwetter immer so fröhlich ausgesehen hatte, wirkte hier auf einmal billig und peinlich.
    Der Doorman nahm ihr das Gepäck ab und hielt die Tür für sie auf. Sie betrat eine beeindruckende Lobby mit holzgetäfelten Wänden und blank polierten Steinfliesen. Alles neu, blitzsauber und glänzend – das Gegenteil von ihr also. Der Türsteher übergab ihr einen Umschlag, den Kelly für sie hinterlassen hatte. Darin befanden sich der Wohnungsschlüssel und eine kurze Nachricht.
    »Bitte zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden, wenn Sie irgendetwas brauchen«, sagte er mit einem zuvorkommenden Lächeln und drückte für sie auf den Liftknopf für ihre Etage. »Fragen Sie nach Bill.«
    »Danke«, stammelte Cassie mit einem undamenhaften Hickser, der den unvorteilhaften Eindruck, den er ohnehin schon von ihr hatte, noch bestärkte.
    Nicht ohne eine gewisse Erleichterung sah sie sein höfliches Lächeln hinter den zusurrenden Lifttüren verschwinden. Sie entfaltete Kellys Zettel und las.
    Hallo! Herzlich willkommen in New York! Mach’s dir bequem, ich komme so gegen neunzehn Uhr nach Hause.
    Küsschen, Kelly
    Na toll, dachte sie, während sie den Zettel zusammenfaltete und in ihre Jeanstasche schob. Die Lifttüren öffneten sich lautlos, und Cassie trat in einen kleinen Flur hinaus. Es war halb sieben. Ihr blieb eine halbe Stunde, um eine Dusche zu nehmen und sich einigermaßen präsentabel zu machen (sprich, nüchtern zu werden), bevor Kelly auftauchte.
    Vor der Nummer 116 blieb sie stehen und schloss die Tür auf. Beim Eintreten schnappte sie nach Luft. Die Lobby war so beeindruckend gewesen, aber das hier – es war winzig! Die Diele hatte die Größe eines Handtuchs und ließ sich als solche nur mithilfe der Fußmatte identifizieren, auf der stand: Ich bin kein Fußabtreter .
    »Was du nicht sagst«, murmelte Cassie.
    Zu ihrer Rechten befand sich das Badezimmer, das typisch urban wirkte, mit beigen Steinfliesen, Plastik-Duschvorhang und Glasablage, die sich unter der Last der Toilettenartikel förmlich durchbog. Daneben lag das Schlafzimmer. Sie warf einen Blick hinein. Es gab gerade noch genug Platz, damit man um das breite weiße Prinzessinnenbett mit der flauschigen nerzbraunen Tagesdecke herumgehen konnte. Eine Flut von Zierkissen brandete fast bis zum Fuß des Betts. Ein zierlicher weißgrauer Gingan-Stuhl war neben dem Nachtkästchen das einzige zusätzliche Möbelstück. Klamotten, meist schwarze, lagen über Sitz und Lehne. Eine Wand war vollkommen mit Regalbrettern verkleidet, in denen sich – Cassie traute ihren Augen kaum – ausschließlich Schuhe stapelten. Endlose Reihen ordentlich platzierter Schuhe. Cassie klappte der Unterkiefer herunter. Hier sah’s ja aus wie in Gils Waffenkammer!
    Das Wohnzimmer war kaum größer als das Schlafzimmer, gerade genug Platz für ein Sofa und zwei Sessel. Einen Fernseher gab’s nicht, wie Cassie bemerkte. Eingeklemmt zwischen diesen beiden Zimmern befand sich, wie ein Raumteiler, eine schmale Küche.
    Bei näherem Hinsehen befand Cassie, dass diese den Namen kaum verdiente. Sie besaß

Weitere Kostenlose Bücher