Ein Geschenk von Tiffany
Christie’s ersteigert hat?« Sie seufzte hingerissen. »Einfach himmlisch.«
»So ist sie eben, sie kann gar nicht anders«, meinte Cassie und warf einen kritischen Blick auf ihre Schlafanzughose. Anouk hätte kein Verständnis für ihren Aufzug gehabt. Anouk verströmte Chic wie andere Schweißgeruch. Cassie fragte sich unwillkürlich, wie es wohl bei ihr in Paris werden würde. Die Schulzeit war lange her, als sie unzertrennlich gewesen waren, immer untergehakt, tuschelnd, die Köpfe lachend zurückgeworfen. Ob Anouk wohl für ihr ungebrochenes Bedürfnis nach ausreichend Schlaf, Nahrung und Bettsocken Verständnis haben würde? Anouk war diejenige unter ihnen, die ihr am fremdesten erschien, am weitesten weg von ihren, Cassies, Gewohnheiten.
Kelly dagegen war trotz ihrer Hyperaktivität und ihrer ein wenig brüsken Art im Grunde ein Kätzchen – was sie aber sorgfältig verbarg und nie zeigte, außer bei ihren allerengsten Freunden. Denn Cassie war nicht die Einzige, die früh geheiratet hatte. Kaum zwei Jahre nach Cassies Heirat hatte Kelly sich in einen Versicherungsmakler verliebt, den sie auf St. Lucia, wo sie Urlaub machte, kennengelernt hatte. Vier Wochen später waren sie verheiratet gewesen. Als das Finanzamt mit einer 2-Millionen-Dollar-Nachzahlung an die Tür geklopft hatte, hatte er sich – mit all ihren Ersparnissen – aus dem Staub gemacht. Sie hatte ihn nie wiedergesehen. Seine Lügen – und sein sang- und klangloses Verschwinden – übten eine verheerende Wirkung auf Kelly aus. Sie veränderte sich. Sie verlor jedes Vertrauen in Männer und vor allem ihren naiven Glauben an die eine große Liebe. Seitdem überdauerten ihre Männerbeziehungen nie mehr als sechs Monate, und manchmal hatte sie sogar zwei oder drei Dates an einem Abend. Sie wechselte ihre Männer wie ihre Handtaschen. Tatsächlich habe sie sich, wie sie Cassie gestand, während sie das Essen auf Teller verteilte, noch mit einem Typen auf einen Cocktail verabredet. Sie würde um elf gehen, wenn Cassie längst im Bett läge und ihren Jetlag ausschliefe.
Die Vorstellung, mitten in der Nacht noch auf die Straße zu gehen, um sich mit einem nahezu Unbekannten in einer Bar zu treffen, war Cassie ebenso fremd wie die in Seetang gewickelten, mit rohem Fisch gefüllten Päckchen, die Kelly zum Abendbrot auftischte.
Aber daran würde sie sich jetzt gewöhnen müssen. Sie musste es zumindest versuchen. Sie musste sich auf Kellys Vorstellungen vom Leben einlassen.
2. Kapitel
Zwölf Stunden und sechzehn Minuten später war sie kurz davor aufzugeben. Und wünschte fast, stattdessen in Paris zu sein. Sie waren im Central Park joggen, genauer gesagt, beim Jacqueline-Kennedy-Onassis-Reservoir. Alles, woran Cassie denken konnte, war ihr kuscheliges warmes Klappbett in Kellys Schuhschachtel von Apartment. Ihre Trainingsuhr, die mit dem Herzschlagmesser in ihrem BH verbunden war, blinkte wie verrückt. Anhalten, anhalten!, schien sie zu rufen. Etwas, das Raoul, Kellys Fitnesstrainer, offenbar total fernzuliegen schien.
Prustend hielt sie an, verzweifelt schaute sie den beiden anderen nach, die erschreckend schnell davonzogen.
»He, hallo!«, japste sie, beugte sich vor und stützte ihre Hände auf den Knien ab. »Lauft ihr allein weiter!« Keuchend winkte sie die zwei, die sich zu ihr umgedreht hatten, weiter.
Kelly kam zu ihr und blieb, auf der Stelle laufend, vor ihr stehen. Sie war der Inbegriff perfekter Fitness, in ihrem eng anliegenden Jogging-Outfit in Silber und Blau. »Spinnst du? Natürlich warten wir auf dich.« Schmunzelnd drehte sie sich zu Raoul um, der Cassie mit kaum verhohlener Missbilligung musterte. Der Trainer brachte, laut Kelly, sämtliche New Yorker Supermodels in Form. Er war alles andere als beeindruckt von Cassies geriatrischen Laufversuchen.
»Kelly, du rennst jetzt schon seit einer Viertelstunde und dein Körper scheint noch nicht mal gemerkt zu haben, dass er sich bewegt!«, keuchte Cassie. Wankend schaffte sie es bis zur nächstgelegenen Parkbank, auf der sie zusammenbrach. Sie holte ihre Wasserflasche aus dem Gürtel und saugte daran wie ein gieriges Kälbchen. »In zwei Monaten willst du am Marathon teilnehmen. Da hast du doch keine Zeit, auf mich zu warten, Menschenskind. Wie willst du deinen Trainingsplan einhalten? Los, lauft ruhig weiter, ich komm schon zurecht, ehrlich.«
Kelly wirkte nicht überzeugt. »Aber wie willst du wieder zurückfinden?«
»Gar nicht. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich
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