Ein Geschenk von Tiffany
Balkone mit Rattansitzgruppen darauf zierten die Fassade. Der Eingang wurde flankiert von zwei Olivenbäumen. Warmes bernsteinfarbenes Licht fiel aus dem offenen Eingang heraus.
Cassie seufzte selig. »Ich fühle mich wie die Jungfrau Maria vor der Herberge.«
»Na, dann wollen wir hoffen, dass noch was frei ist, denn einen Stall finden wir jetzt nicht mehr«, sagte Henry und verkreuzte die Finger. Die Lobby war geräumig, mit hohen Decken und einem kunstvollen Mosaik-Parkettboden, war aber nur sehr spärlich möbliert. Außer einem riesigen Kronleuchter, der blinkend von der Decke hing, gab es links eine Empfangstheke, auf der eine aufgeschlagene Zeitung lag, und rechts ein riesiges Schlafsofa, mit einer fast dreißig Zentimeter dicken Matratze.
»Wenn sie ausgebucht sind, werde ich da schlafen«, sagte Cassie und deutete auf das Tagesbett. »Ich geh keinen Schritt weiter.«
»Wenn sie ausgebucht sind, werden wir beide da schlafen«, antwortete Henry. In diesem Moment tauchte ein Mann aus einem Raum am anderen Ende der Halle auf. Er wirkte winzig wie ein Liliputaner, denn die Tür war fast fünf Meter hoch.
»Buonasera.« Er trug eine ausgewaschene schwarze Hose, die sich an der Hüfte ein wenig bauschte. Sein Hemd stand offen, und man konnte sein Unterhemd sehen. Sich die Hemdsärmel runterkrempelnd kam er näher.
»Buonasera, vorremmo prenotare due camere, per favore« , sagte Henry in fehlerlosem Italienisch. »Per due notti.«
Der Mann schaute zuerst Henry, dann Cassie perplex an. Er schüttelte den Kopf. »No.«
»No?« , wiederholte Henry. »Non avete camere libere?« Dann würde er wohl doch um das Tagesbett bitten müssen.
»Ho due stanze libere per stasera« , sagte der Mann und hielt zwei Finger hoch, »ma solo una domani.«
»Ach.« Henry sah Cassie an. »Er sagt, er hat für heute Nacht zwei Zimmer, aber für morgen nur eins.«
»Dann könnten wir doch heute hier übernachten und uns morgen vielleicht was anderes suchen?«, schlug Cassie vor.
Henry nickte. »Ja, das könnten wir.« Er schaute den Mann an. »Könnten wir?«
Der Mann zuckte verständnislos mit den Schultern. Aber der Blick, mit dem er zwischen Henry und Cassie hin und her schaute, schien zu sagen, wenn’s seine Entscheidung wäre, dann könnte er sich was Besseres vorstellen.
»Also gut«, grinste Henry. »Cominciamo a prenotare le due stanze per stasera e in mattinata decideremo cosa fare per domani.«
Der Mann machte ein Schränkchen auf und holte die letzten beiden Schlüssel heraus, die darin hingen. Sie folgten ihm eine gewundene Marmortreppe hinauf und einen breiten Korridor entlang, in dem in regelmäßigen Abständen zwischen den Türen halbrunde Tischchen standen, auf denen Lampen brannten.
Er hielt vor einer Tür an, schloss sie auf, knipste alle Lampen an, durchquerte den Raum und stieß die Balkontüren auf. Cassie war ungläubig blinzelnd im Türrahmen stehen geblieben. Die weißen Stuckwände waren mit zarten trompe-l’ æ il -Zeichnungen verziert, am Balkonfenster bauschten sich zwei lange mintgrüne Seidenvorhänge in der Nachtbrise. An der Wand standen ein Regency-Schrank und ein Sekretär, gegenüber ein Bett, das das Tagesbett in der Lobby dagegen wie einen Fußschemel aussehen ließ. Es war hoch und riesig wie das Bett der Prinzessin auf der Erbse, mit aufwendigen Kopf- und Fußbrettern, die sich an den Seiten ein wenig um die Matratze herumbogen. Die Laken waren schneeweiß und frisch gebügelt, mit einer handgemachten Spitzenborte. Das Badezimmer, durch dessen Tür sie schauen konnte, schien schlicht und funktional zu sein und war deshalb umso schicker.
Das war alles. Mehr war auch nicht nötig. Es war perfekt, sogar noch besser, als sie sich erhofft hatte. Cassie ging langsam durch das Zimmer und schaute zum Balkon hinaus. Er ging nach hinten auf den ummauerten Garten hinaus, hinter dem der kleine Kanalarm vorbeifloss und wo sie zuvor über die Mauer gespäht hatte. Man konnte nicht viel sehen, unter dem Laub der Bäume und der Weinranken, aber die Musik spielte immer noch, und das Lachen einer Frau drang durch die Nacht.
»Signore, la sua stanza è di fianco.«
»Ich bin gleich nebenan«, sagte Henry. Sein Zimmer war ebenso eingerichtet wie das ihre, bloß dass seine Vorhänge elfenbeinfarben waren und einen Samtstreifen hatten und sein Bett ein napoleonisches Himmelbett mit einem Baldachin, der das Bett umgab wie ein Zelt und dessen Plisseestoff an einem Reifen darüber aufgehängt
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