Ein Geschenk von Tiffany
meinen Namen auf dem Kärtchen von dem Paket gelesen habe, das unter dem Christbaum lag!«
Henry lachte entzückt.
»Aber die Dinnerparty in Kellys Apartment war auch was ganz Besonderes. Größer als die Summe ihrer Teile. Das werde ich wohl nie vergessen …« Mit einem sanften Lächeln dachte sie an jenen Abend zurück. »Wieso hast du das auf die Liste gesetzt? Mit New York hat es doch wenig zu tun.«
»Doch, irgendwie schon.« Henry zuckte die Achseln. »Ich wollte, dass du den zweiten Schritt machst, tiefer in das Leben dort einsteigst. Unter die Oberfläche vorstößt.«
Sie hob die Augenbrauen. »Willst du damit sagen, dass deine Anweisungen einen tieferen Sinn haben?«
Henry zuckte die Achseln, den Blick auf den Horizont gerichtet. »So was in der Art.«
»Wieso dann der Dauerlauf um den Central Park?«
»Weil es den Geist beruhigt.« Er schaute sie an. »Ich hab mir gedacht, dass deiner damals ziemlich in Aufruhr gewesen sein muss.«
»Die Untertreibung des Jahres.«
»Was nicht heißen soll, dass du nicht noch immer total plemplem bist«, lachte er. Sie beugte sich zur Seite, um ihm einen Hieb zu versetzen, und fiel dabei fast vom Stuhl. Der Wein und die Erschöpfung machten sich bemerkbar. Henry konnte sich kaum halten vor Lachen.
»Und Paris?«, fragte er und richtete sie wieder auf.
Sie begann sofort wieder zu strahlen. »Claude. Ganz klar.« Sie nickte. »Er hat mein Leben verändert. Ehrlich gesagt hab ich zuerst gedacht, du willst mich auf den Arm nehmen – dass ich ihn rasieren soll, zum Beispiel, sozusagen als gute Tat, oder dazu bringen, mal was Nettes zu sagen …«
Henry lachte.
»… aber das Ladurée, da bin ich ganz wild drauf.« Sie legte schwärmerisch die Hand aufs Herz.
»Du und meine Schwester«, sagte er, »du und meine Schwester.« Er stand auf, ging zur Tüte und nahm die andere Flasche raus. »Sollen wir?«
Sie zögerte. Die erste Flasche hatten sie erstaunlich schnell geleert – dazu noch die zwei Spritz-Flaschen zum Mittagessen –, und sie war schon mehr als ein wenig beschwipst. Sie musste was essen, nicht noch mehr trinken.
»Willst du die nicht lieber behalten? Und mit Lacey trinken?«
»Nein, die wird sowieso bloß konfisziert, wenn ich sie als Handgepäck ins Flugzeug mitnehme.«
»Na ja, wenn’s so ist …« Sie stand auf und hielt ihm lächelnd ihre zwei Gläser hin. Vom kleinen Kanal drang der Gesang eines Gondoliere herauf. »Wie seltsam: Gestern um diese Zeit waren wir noch in Paris. Und jetzt sind wir hier in Venedig.«
»Und nächste Woche um diese Zeit werde ich auf einem Eisbrecher in der Beringstraße sein«, fügte Henry hinzu. »Seltsam.«
»Und zwei Monate darauf wirst du heiraten. Noch viel seltsamer. Du und verheiratet, Henry, das kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen.«
Er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. »Ach nein? Und wieso nicht?«
»Na ja … ich meine, du, Henry! So ganz erwachsen, als richtiger Ehemann.« Sie lachte. »Ich weiß nicht. Irgendwie kommst du mir noch viel zu jung dafür vor.«
»Und das sagt eine Frau, die mit zwanzig geheiratet hat!«, stieß er aufgebracht hervor. Seine Wangenmuskeln arbeiteten. Die Stimmung hatte jäh umgeschlagen. »Ich bin dreißig, Cass. Ich hab die Frau getroffen, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will. Wieso sollte ich warten?« Er schaute sie an. Ihr gerade noch so leichtherziges Gespräch war von einer unerklärlichen Anspannung weggewischt worden. »Glaubst du, ich hätte nicht genug von der Welt gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf. Der Gedanke war lächerlich. »Nein, natürlich nicht!«
»Glaubst du, ich hätte mich nicht ausgetobt? Hätte nicht jede einzelne Gelegenheit ergriffen, die sich mir bot? Glaubst du das?«
»N-nein«, stammelte sie. So, wie er das sagte, mussten es aber viele Gelegenheiten gewesen sein.
»Aber du hältst mich noch immer für einen Schuljungen, linkisch und unreif?«
Sie musste daran denken, wie er im Bad ausgesehen hatte, sein prächtiger, muskulöser Körper. Der Vergleich mit dem linkischen Schuljungen war lächerlich. Fast hätte sie laut gelacht. Fast.
»Natürlich nicht.« Sie schüttelte den Kopf.
»Warum bestehst du dann darauf, mich in diese Schublade zu stecken?«
»Das tu ich nicht! Ich meine, ich …«
»Doch, das tust du«, widersprach er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Er ging langsam auf sie zu. »Aus irgendeinem Grund versuchst du andauernd, mich auf Armeslänge fernzuhalten – ich bin
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