Ein Geschenk von Tiffany
in der Lage.
»Du solltest wieder ins Bett gehen«, schlug Cassie vor. Sie musterte ihn. »Ich kann auch allein losgehen. Ich bin sicher, ich finde was Schönes für deine Flitterwochenliste.« Sie beobachtete Henry genau, als sie das sagte, aber sein Stöhnen und Grimassenschneiden gab ihr keinen Aufschluss – außer darüber, dass ihm jeden Moment der Schädel zu platzen drohte.
Die Kellnerin tauchte wieder auf und reichte Cassie ihr Handy. »Bitte schön. Voll aufgeladen.«
»Danke«, sagte Cassie ungnädig.
»Könnte ich vielleicht Eier mit Speck und Würstchen bekommen? Ich weiß, das steht nicht auf der Speisekarte …« Er brachte ein mühsames Lächeln zustande.
»Aber natürlich«, zwitscherte die Kellnerin, »was immer Sie wollen!«
Cassie begann wütend auf ihr Handy einzuhacken. Sie hasste diesen Tag jetzt schon, und dabei hatten sie noch nicht mal gefrühstückt. Die demütigende Zurückweisung gestern Abend, dann dieses verwirrende Geständnis mitten in der Nacht, und jetzt kam er auch noch mit einem Brummschädel daher, was bedeutete, dass sie heute nicht nur nichts mit ihm anfangen konnte, sondern wohl auch nicht erfahren würde, was das alles zu bedeuten hatte.
Sie schaltete ihr Handy an, und sofort blinkte ihr das Message Icon entgegen. Sie rief ihre Voicemail auf und hielt sich das Handy ans Ohr. Sie haben achtzehn neue Nachrichten …
Achtzehn? Wer zum Teufel wollte sie denn so dringend sprechen? Sie war doch erst anderthalb Tage weg … Die Voicemail ist voll. Bitte löschen Sie alle Nachrichten, die Sie nicht mehr brauchen …
Ein Riesenschreck durchzuckte sie. Suzy!
Nachricht eins … Nervös hörte sie zu.
Cassie, c’est moi. Erleichtert atmete sie auf. Es war nur Claude. Wahrscheinlich, um sich über den Preis für den Fisch zu beklagen. Oder über die Tischdecken, die in der falschen Farbe geliefert worden waren. Hoffentlich wollte er nicht die morgige Stunde absagen. Es kam ihr lange vor, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, obwohl es erst Donnerstag gewesen war. Sie rief die nächste Nachricht auf.
Cassie , w o bist du? Ich muss dich sehen. Ruf mich an.
Sie blies die Backen auf, drückte auf Löschen und hielt sich das Handy ans Ohr, um die nächste Nachricht abzuhören.
Cassie, ich bin’s noch mal. Du musst mich anrufen. Ich verstehe nicht. Wo bist du? Warum rufst du nicht zurück? Bitte ruf mich an.
Ein wenig gereizt löschte Cassie auch diese Nachricht. Was bildete er sich ein? Dass sie Tag und Nacht für ihn da zu sein hatte? Und nicht mal über die Feiertage mit einem Freund verreisen konnte? Einem gemeinsamen Freund? Sie hielt sich das Handy ans Ohr und hörte die nächste Nachricht ab.
Warum tust du mir das an? Soll das lustig sein? Ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung? Ich dachte, du verstehst mich.
Voller Unbehagen schaute Cassie ihr Handy an. Irgendwas stimmte hier nicht. Seine Stimme klang anders, höher, hektischer. Sie drückte auf Löschen und hielt sich – jetzt mit zitternder Hand – das Handy erneut ans Ohr.
»Cass, was ist?« Henry war, den Kopf in die Hände gestützt, mittlerweile aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. Er musterte sie neugierig. Sie antwortete nicht, hörte nur die Nachricht ab, löschte sie und hörte sich die nächste an, dann die nächste und die nächste. Henry nahm ihr schließlich das Handy weg und hörte selbst mit. Ihre Augen trafen sich, als sie hörten, wie die Verzweiflung in Claudes Stimme zunahm. Bei der vierzehnten Nachricht war er außer sich, schimpfte und tobte – Cassie konnte es über den Tisch hören, wo Henry sich das Telefon ans Ohr hielt. Tränen strömten ihr über die Wangen, sie hielt eine Hand auf den Mund gepresst, schüttelte verzweifelt den Kopf.
Bei der siebzehnten Nachricht klang seine Stimme ganz anders – tonlos, schleppend, dumpf, er faselte irgendetwas. Henry hatte den Arm über den Tisch geschoben und hielt Cassies Hand. Mit rotgeränderten Augen rief er die letzte Nachricht auf. Eine lange Stille. Und dann in der Ferne ein Schuss.
36. Kapitel
»Du brauchst dir keine Vorwürfe machen«, sagte Anouk. Ihre Augen folgten Cassie, die unruhig auf und ab lief. Cassie hatte sich seit Tagen kaum hingesetzt, eine nervöse Energie ließ sie nicht stillhalten, sie war wie aufgezogen. Geschlafen hatte sie auch kaum, schien praktisch über Nacht eine Tonne an Gewicht verloren zu haben.
»Tu ich ja nicht!«, fauchte sie, wirbelte herum und funkelte ihre Freundin böse an. Ihr Gesicht war bleich und
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