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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swan Karen
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Cargo-Shorts. Sie stand auf dem Gehsteig und versuchte, nicht seinen breiten Rücken anzustarren, der in dem marineblauen T-Shirt gut zur Geltung kam. Die Straße war so eng, dass sie fast an Venedig erinnerte, bloß dass die Häuser hier aus grauem Naturstein waren und nicht aus Terrakotta mit rosa Verputz. Auch hing über ihren Köpfen keine Wäsche, sondern Telefonleitungen, auf denen Tauben hockten.
    Er holte einen Rucksack aus dem Auto. »Komm«, sagte er, nahm sie bei der Hand und führte sie um eine Ecke.
    Vor ihr ragte jäh die St. Paul’s Cathedral auf.
    »Mein Gott!«, rief Cassie überrascht aus. Sie war es gewöhnt, den Dom aus der Ferne zu sehen, an seiner markanten Kuppel zu identifizieren, aber hier, direkt vor der Vortreppe, dominierten die beiden Türme und die Kolonnaden. »Wie konnte ich den übersehen?«
    Sie gingen die Vortreppe hinauf und blieben vor dem mächtigen Kirchentor stehen. Henry klopfte diskret an.
    Sie warteten. Cassies Blick fiel auf ein Schild neben der Tür, auf dem die Öffnungszeiten vermerkt waren. »Ach, Henry, schau – wir sind zu früh dran. Die machen erst um halb neun auf.« Sie warf einen Blick auf die Uhr und stöhnte. Jetzt wusste sie, warum sie gar nicht hatte wissen wollen, wie spät es war. »Es ist erst halb acht.«
    Henry schaute sie an und wollte etwas sagen, doch in diesem Moment ging die Tür auf. Er grinste. »Aber jetzt ist Morgenandacht. Und Richard hier« – ein Mann in Soutane streckte Cassie lächelnd seine Hand hin – »hat gesagt, wir dürfen reinkommen, wenn wir versprechen, ganz still zu sein.« Henry drückte Richard dankbar die Hand. »Danke, Kumpel.«
    Richard lächelte und nickte. »Na, wenn ihr wirklich wisst, wo ihr hinwollt, dann verabschiede ich mich jetzt wieder. Die Pflicht ruft«, flüsterte er.
    »Ja, natürlich.«
    Richard eilte mit wehender Soutane davon.
    »Unterirdische Büchereien, Kathedralen, Sterneküchen … gibt es einen Ort, in den du nicht reinkommst?«, flüsterte Cassie und sah sich um. Weiter vorne saßen ein paar Gläubige, und neben dem Altarbereich hatte der Chor Aufstellung genommen. Kleine Lämpchen beleuchteten die Ständer, auf denen die Notenblätter lagen. Die Worte des Deans – tief, langsam, rhythmisch, salbungsvoll – drifteten in Fragmenten zu ihnen her.
    Henry zuckte die Achseln. »Hier ist das was anderes. Ich kenne Rich seit dem Kindergarten. Wir waren zusammen im Chor in Gloucestershire. Komm, wir verziehen uns besser. Richard …«
    »Hat dir einen Gefallen getan, ja, ich weiß.«
    Er führte sie ins Seitenschiff, hinter eine Säulenreihe. Sie blieben vor einer Tür stehen, die mit einer roten Kordel abgetrennt war. Henry schlüpfte dahinter und probierte die Türklinke. Sie ließ sich öffnen.
    Er lächelte zufrieden. »Komm.«
    Sie stiegen ein paar Stufen hinauf. Und stiegen. Und stiegen. Die Treppe wollte nicht aufhören.
    »Henry, warte mal.« Cassie ließ sich keuchend auf eine Stufe sinken. Kelly wäre diese Treppe raufgerannt.
    »Geht nicht«, antwortete er, »wir haben nicht viel Zeit.«
    »Was meinst du damit?«
    Er ging weiter. Seufzend erhob sich Cassie und folgte ihm. Sehnsüchtig musterte sie die Türen, an denen sie vorbeikamen und die offensichtlich zu niedrigeren Galerien führten. Aber er ging weiter.
    Als Cassie schon glaubte, keine einzige Stufe mehr schaffen zu können, hörte die Treppe endlich auf, und sie traten hinaus. Jetzt konnte sie sehen, warum Henry mit ihr hier heraufgegangen war. Unter ihnen lag London in seiner ganzen steinernen spröden Schönheit, so ganz anders als Manhattan, Paris oder gar Venedig.
    »Viele Leute nehmen das Riesenrad, um einen Blick auf London zu bekommen, aber ich finde, hier ist es immer noch am besten.« Er legte die Unterarme aufs Geländer und stützte das Kinn darauf, der einzige Hinweis, dass ihm der Aufstieg auch nur ein bisschen was ausgemacht hatte. 528 Stufen, wie er ihr berichtet hatte. Hinterher.
    »Unglaublich«, keuchte Cassie, die sich einmal um die eigene Achse drehte. Über ihr befand sich die berühmte Laterne mit dem Goldkreuz auf einer Goldkugel, eines der wichtigsten Wahrzeichen Londons. »Wahnsinn«, flüsterte sie.
    Henry folgte ihrem Blick. »Ja. Weißt du, dass in die Kugel zehn Leute reinpassen würden?«
    »Im Ernst?«
    »Als ich jünger war, hab ich immer gedacht, dass das ein wirklich tolles Liebesnest für James Bond wäre.«
    Cassie schlug ihm kichernd auf den Arm. »Also das hatte Christopher Wren bestimmt nicht im

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