Ein Geschenk von Tiffany
Er streckte seinen freien Arm an ihr vorbei und fasste nach dem Treppengeländer. Den anderen hatte er um ihren Bauch geschlungen. Sie spürte, wie er seine Finger spreizte, und ihre Magenmuskeln zogen sich unwillkürlich zusammen. Ihr Bauch war ja praktisch nackt. Sie spürte seine Brustmuskeln an ihrem Rücken. Gerade fragte sie sich, wie man sich in so kaltem Wasser so heiß fühlen konnte, als ein lauter Ruf ertönte und ein paar Jungs angerannt kamen. Der erste hielt sich die Nase zu und machte eine klatschende Wasserbombe in den See.
»Ich glaube, wir sollten das Feld räumen«, brummelte Henry und ließ sie los.
Cassie eilte die Treppe hinauf, so schnell sie konnte. Ihr war peinlich bewusst, dass er jetzt wahrscheinlich ihren Hintern anstarrte. Auch die Jungs waren abrupt stehen geblieben und starrten zu ihr hin.
»Du hast ein paar nicht ganz so heimliche Verehrer«, bemerkte Henry und wies mit einem Nicken auf ihr bewunderndes männliches Publikum. Cassie schlang die Arme um den Oberkörper und rannte zurück zur Decke, wo sie praktisch mit einem Hechtsprung unters Handtuch tauchte.
Henry dagegen streckte sich auf der Decke aus und ließ sich von der Sonne trocknen. Innerhalb von Minuten war er eingeschlafen, so wie in Venedig.
Cassie bewunderte ihn eine Zeitlang nervös. Sie hatte Angst, er könnte aufwachen und sie dabei ertappen. Aber er schlief wirklich. Seine Brust hob und senkte sich langsam, und sie musste daran denken, wie sie sich vorhin an ihrem Rücken angefühlt hatte. Er schlief wie ein Baby, die Hände neben den Ohren, die Handflächen nach außen, vollkommen sorglos.
Mit ihm war das Leben so einfach, so bezaubernd, so bunt. Ach, zum Teufel! Sie warf ihr Handtuch ab und streckte sich in ihrem knappen Fähnchen neben ihm aus. Die Sonne schien auf sie herab, als wäre sie eine ihrer goldenen Schwestern. Langsam wurden auch ihr die Lider schwer, und sie kämpfte nicht länger gegen das andere an, dem sie den ganzen Tag lang zu widerstehen versucht hatte – den Schlaf.
44. Kapitel
Es war später Nachmittag, als sie wieder aufwachten. Jetzt war Cassie Henry dankbar dafür, dass er darauf bestanden hatte, sie mit Sonnenöl einzureiben. Am See herrschte mittlerweile Hochbetrieb, es gab kaum noch ein freies Rasenstück, und auch im Wasser drängten sich die Badenden dicht an dicht.
»Erst essen wir was, dann können wir gehen«, schlug Henry vor und öffnete den Picknickkorb. Er reichte ihr einen von Suzys herrlichen Flohmarkttellern, die diese leidenschaftlich sammelte, dazu ein Silberbesteck, das nicht zueinanderpasste. Ein kleines Weinglas folgte, dann eine kleine Flasche.
»Trinkst du keinen?«
»Darf nicht. Muss fahren.«
Er holte ein in Wachspapier gewickeltes Bündel heraus und zog die Schnur auf. Zum Vorschein kam ein herrliches Stück Rinderfilet, das bereits angeschnitten war. Es folgte ein Pappkarton, der offenbar in schönes altes Tapetenpapier gewickelt war. Darin befand sich Kartoffelsalat. Schließlich brachte er noch ein Marmeladenglas hervor, in dem sich frischer rosa Meerrettich befand.
»Wahnsinn!«, stieß Cassie verblüfft hervor. »Bei uns gab’s zum Picknick immer durchgeweichte Sandwichs und ein Twix als Nachtisch!«
»Ich muss zugeben, dass ich das nicht selbst gezaubert habe«, gestand er.
»Sag nichts: Du hast einen Bekannten, der …«
»Eine Bekannte. Zara. Wir waren zusammen auf der Uni.«
»Welche -ologie?«, fragte sie scherzhaft.
Henry grinste. »Sie hat sich gerade mit einer Cateringfirma selbständig gemacht. Ich hab sie gebeten, uns einen Picknickkorb zu packen. Sie hat ihn heute früh um fünf auf dem Weg nach Wimbledon ins Auto gestellt.«
»Einfach wunderschön.« Sie ließ den Blick über die aufgedeckten Köstlichkeiten schweifen. Dann hob sie den Kopf und schaute Henry an. »Es erstaunt mich immer wieder, was Menschen aus Essen zaubern können. Ich meine …« Sie hielt das Meerrettichglas hoch. »Das hier macht mich einfach glücklich. Verrückt, nicht? Dass einen ein Glas Meerrettich so glücklich machen kann.«
»Nein, überhaupt nicht«, entgegnete Henry, der sie nicht aus den Augen ließ. »Das musst du Zara sagen, die würde sich riesig freuen. Sie hätte das alles auch in Tupperschüsseln packen und Pappteller und Plastikbesteck dazutun können, aber sie hat dieses Stilgefühl, sie findet, dass man Essen zelebrieren soll. Du würdest sie mögen, glaube ich.«
»Das glaube ich nicht nur, das weiß ich«, antwortete Cassie und schnitt
Weitere Kostenlose Bücher