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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swan Karen
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Sämtliche Schamgefühle waren vergessen.
    »Mein Gott!« Ihr klapperten die Zähne. Henry paddelte wassertretend um sie herum.
    »Komm, du musst schwimmen, dann wird dir schon wärmer«, forderte er sie auf.
    Mit Armbewegungen wie Rotorblätter schwamm er los. Cassie, die in seinem Kielwasser folgte, merkte rasch, dass sie ausnahmsweise mal mit ihm mithalten konnte. Sie war zwar seit Jahren nicht mehr geschwommen, in der Schule aber sehr gut gewesen. Ohne viel nachzudenken verfiel sie in einen vertrauten Rhythmus, stimmte ihre Atmung mit ihren Bewegungen ab, strich mühelos durchs Wasser.
    Innerhalb von Minuten hatte sie die Kälte vergessen. Es war ihr egal, dass man nicht auf den Grund sehen konnte. Mit einem wachsenden Glücksgefühl schwamm sie aufs andere Ufer zu, wo mächtige Weiden ihre Zweige ins Wasser hängen ließen und wo Schilf die Uferzone bedeckte. Sie kehrte um und schwamm zurück, Henry diesmal hinter sich lassend, ganz versunken in den Augenblick, in das meditative Gefühl der rhythmischen Arm- und Beinbewegungen, des Atmens. Ihr war jetzt herrlich warm. Unwillkürlich fragte sie sich, wieso sie eigentlich mit dem Schwimmen aufgehört hatte, wo es ihr doch immer so viel Spaß gemacht hatte. Wahrscheinlich weil Gil nicht schwimmen konnte.
    Nach einer Weile drehte sie sich auf den Rücken und ließ sich treiben, ohne zu wissen, wo genau im See sie sich befand. Sie vergaß alles um sich herum – selbst Henry. Sie ließ sich von den Bewegungen der anderen Schwimmer im Wasser schaukeln, die Arme ausgebreitet, das Gesicht zur Sonne gewandt. Dass ihr goldener Badeanzug in der Sonne blinkte, war ihr nicht bewusst.
    »Du hast mir nie gesagt, dass du eigentlich eine Meerjungfrau bist«, bemerkte Henry, der leise neben ihr aufgetaucht war und sich nun ebenfalls treiben ließ.
    »Du weißt eben nicht alles über mich«, antwortete sie.
    »Anscheinend nicht«, antwortete er. Er starrte sie an, und sie musste unwillkürlich daran denken, wie er sie vorhin angeschaut hatte, als sie auf der Plattform stand. Sie starrte zum Himmel hinauf, ließ die Wolken vorüberziehen. Da war auf einmal eine Spannung, ein Knistern zwischen ihnen. Die Worte hatten plötzlich einen Doppelsinn, in den Augen standen Fragen. Ob er Venedig vielleicht doch nicht vergessen hatte? Ob ihm das, was nicht passiert war, ebenso wenig aus dem Kopf ging wie ihr? Doch keiner von beiden sagte etwas. Er war verlobt und würde bald heiraten. Und sie hätte sich zwar fast verraten, vorhin in der Kirche, aber das war ja noch einmal gut gegangen.
    »Du bist ein Naturtalent. Nicht jeder schwimmt gerne in natürlichen Gewässern«, bemerkte er nach einer Weile. Sie hörte an seiner Stimme, dass er nun ebenfalls zum Himmel schaute.
    »Ja, das überrascht mich selbst. Ich bin mal in einem Fluss geschwommen, als ich neun war, glaube ich. Und ich hab den Schock meines Lebens gekriegt, als plötzlich eine Schlange an mir vorbeitrieb.«
    »Tja, bei so was kann’s einem schon vergehen«, stimmte er ihr zu.
    »Aber das hier, das gefällt mir. Hier könnte ich öfter herkommen.«
    »Ich kenne noch ein paar tolle Altwasser und Badeseen, weiter flussaufwärts, an der Themse, in Berkshire. Die sind einfach atemberaubend.«
    »Also, ich bin dabei. Vielleicht möchten Archie und Suzy ja mitkommen. Und Lacey, natürlich«, beeilte sie sich hinzuzufügen.
    »Ja.«
    Eine ältere Frau in einem türkisgrünen Badeanzug und einer Badekappe mit Gummiblumen drauf schwamm vorbei und warf Cassie einen missbilligenden Blick zu. Cassie merkte erst jetzt, dass ihre goldenen Brüste aus dem Wasser ragten, wie ein Erntedankgeschenk. Von wegen gut versteckt.
    Sie richtete sich auf und machte Anstalten davonzuschwimmen. Henry hob den Kopf.
    »Wohin willst du?«, fragte er mit tiefer, träger Stimme.
    »Wer zuerst am Ufer ist!«, trillerte sie und schoss los.
    »He!«
    Er schwamm hinter ihr her, doch mit ihrer ausgefeilten Technik gelang es ihr, den Abstand zu halten. Sie hätte am liebsten laut gelacht, konzentrierte sich aber stattdessen aufs Kraulen. Wie ein Fisch schoss sie durchs Wasser und hatte gerade eine der Ufertreppen erreicht, als Henry ihr Fußgelenk umklammerte und sie zu sich zurückriss.
    Sie prallte gegen seine Brust und fühlte in ihrem Rücken sein Herz hämmern.
    »He, das ist nicht fair«, keuchte er ihr ins Ohr. Sein Atem fühlte sich warm an ihrem Hals an. »Du hattest einen Vorsprung.«
    »Und du bist ein langer Lulatsch«, konterte sie lachend.
    »Mag sein.«

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