Ein Geschenk von Tiffany
Sonnenöl die Schultern ein.
»Alles klar?«
»O ja, alles klar«, höhnte sie, »ich laufe liebend gerne wie ein Las-Vegas-Showgirl rum.«
Henry lachte leise. »Komm, ich creme dich auch ein.«
Cassie wich einen Schritt zurück. »Finger weg!«
»Was hast du denn? Es hat jetzt schon fast dreißig Grad. Wenn du dich nicht eincremst, kriegst du einen Sonnenbrand.«
Cassie gab sich nach einigem Überlegen geschlagen. Gehorsam drehte sie sich um.
Er drückte etwas Sonnenöl auf seine Handfläche. »Äh … könntest du deine Haare vielleicht anheben? Damit ich deinen Nacken einreiben kann.«
Sie versuchte ihre Haare mit einer Hand hochzuschieben und mit der anderen das Handtuch festzuhalten, aber sie bekam nicht alle Haare zu fassen. Hastig stopfte sie einen Handtuchzipfel fest, dann hob sie beide Hände und strich ihre Haare aus dem Nacken. Bei dieser Bewegung löste sich jedoch das Handtuch und fiel zu Boden.
»Menschenskind«, schimpfte Cassie und wollte sich bücken. Aber Henry nahm sie beim Ellbogen und hielt sie fest.
»Lass doch, Cassie«, sagte er und begann sie mit der freien Hand einzureiben. »Wir gehen sowieso gleich ins Wasser. Es schaut dich schon keiner an.«
»Es würde mich keiner anschauen, wenn ich einen anständigen Badeanzug anhätte!«, schimpfte sie, allerdings etwas zerstreut, da seine Einreibungen sie ein wenig aus der Fassung brachten.
Er schob seine Finger unter einen Badeanzugträger, und Cassie hielt unwillkürlich den Atem an. Dann schob sich seine Hand von hinten nach vorn, unter ihr Silberkettchen, zu ihrem Schlüsselbein. Er reckte den Hals. »Hast du den Anhänger wiedergekriegt?«, fragte er.
Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Wie nah seine Lippen ihrem Hals waren. Sie spielte immer noch gelegentlich abwesend mit dem Kettchen, konnte sich aber nicht daran gewöhnen, dass der Anhänger nicht mehr da war. Ihr schöner Tiffany-Anhänger. »Nein, den hatte ich ganz vergessen. Wegen Claude.«
Er strich mit den Händen über ihre Arme und trat einen Schritt zurück. »Ach ja, natürlich. Aber das Schloss hängt sicher noch am Geländer.«
»Bestimmt. Es kriegt ja keiner ab.«
»Du könntest ja immer noch bei Tiffany’s anrufen und um einen Ersatzschlüssel bitten. Hast du die Seriennummer rausgekriegt?«
Cassie schüttelte den Kopf.
»Na ja, Anouk kann ja mal für dich nachsehen.« Er lächelte. Cassie fiel ein, dass er ja noch immer nichts von dem Streit zwischen Anouk und ihr wusste. »Komm«, sagte er.
Cassie wollte ihr Handtuch aufheben.
»Ach, lass das doch liegen!«
»Aber, Henry«, zischte sie, »so will ich nicht vor den Leuten rumlaufen!«
»Da guckt schon keiner. Und jetzt komm, das ist ein natürlicher See. Da legt man nicht das Handtuch am Beckenrand ab wie bei einem Swimmingpool.«
Cassies Augen wurden schmal, doch er nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich. Natürlich guckten alle. Sie konnte die Blicke förmlich spüren.
»Okay, versuch möglichst kein Wasser zu schlucken«, wies er sie an, während sie auf eine der schwimmenden Plattformen traten.
»Soll das heißen, das Wasser ist unsauber?«, fragte sie entsetzt. Sie schaute in die dunklen Tiefen.
»Doch, sauber genug, aber nicht gechlort oder so was.«
»Da ist mir ein Swimmingpool aber lieber. Türkisgrün und klar, mit griechischen Statuen drum herum. Du weißt schon, hübsch künstlich.«
Henry lachte.
»Ist es sehr kalt?«, fiel ihr ein. Sie war so damit beschäftigt gewesen, in die Tiefen des Sees zu starren – dessen Grund man nicht erkennen konnte –, dass ihr diese Frage erst jetzt einfiel.
Henry wandte sich ab und sprang kopfüber hinein. Einfach so. Ohne Luftholen, ohne sich erst mal zu wappnen.
Mit einem Lächeln tauchte er wieder auf, die Augen geschlossen, die Haare zurückgestrichen. So sieht er also aus, wenn er unter der Dusche steht, schoss es ihr durch den Sinn. »Geht schon«, rief er ihr zu. »Jetzt du.«
Cassie biss sich auf die Lippe. Sie trat an den Rand und schaute ins dunkelgrüne Wasser. Sie schüttelte den Kopf. »Ich … ich warte noch.«
Sie hob den Kopf und sah Henry an. Dessen Blick kroch mit unmissverständlichem Interesse über ihren Körper. Das brachte sie derart in Verlegenheit, dass sie sich kopfüber in die Fluten stürzte. Einfach so. Ohne sich erst mal zu wappnen. Sie musste sich vor seinen Blicken verstecken, und ihr Handtuch hatte sie ja nicht mitnehmen dürfen. Nach Luft schnappend tauchte sie wieder auf. Es war scheißkalt.
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