Ein Geschenk von Tiffany
vielleicht nicht. Aber wenn du dich nun irrst? Wenn er dich gar nicht verlassen will?«
Cassie schwieg. Was Henry sagte, klang logisch. Sie war davon ausgegangen, dass er nur deshalb so starrsinnig war, weil seine Ehre auf dem Spiel stand. Der gute Name der Familie und so weiter. Konnte Henry recht haben? Hatte sie Gil verlassen, bevor er etwas erklären konnte? Konnte es sein, dass es eine andere Erklärung gab?
Sie schluckte hart. Nein, sie würde nicht einknicken. Nach allem, was sie getan hatte, um über ihn hinwegzukommen. Außerdem war das sowieso unwahrscheinlich. Wiz und er hatten ein Kind. Daran gab’s nichts zu rütteln. »Ich werde noch mal mit meinem Anwalt reden«, sagte sie schließlich.
Henry wirkte wenig überzeugt.
»Gehen wir da rein?«, fragte sie. Über ihnen hing ein blaues Neonschild, auf dem in vertikaler Schrift Electric stand.
»Ja.«
»Das ist ein Kino, oder?«
»Das älteste in ganz London. Und ziemlich einzigartig.«
Er holte die reservierten Tickets am Schalter ab, und sie gingen hinein. Er hatte zuvor noch eine Flasche Wein gekauft. »Zwei Gläser kann ich mir jetzt erlauben«, meinte er. Die Dekoration im Vorführraum war nichts Ungewöhnliches – rote Wandpaneele, rote Samtvorhänge, aber die Stühle waren etwas Besonderes: Es waren breite, bequeme Ledersessel mit Fuß- und Kopfstützen anstelle der üblichen Klappsitze, auf denen einem das Hinterteil einschlief. Dazwischen gab es kleine Beistelltischchen.
»Wo sollen wir uns hinsetzen?«
»Da hinten.«
Er führte sie nach hinten. Hinter der letzten Sitzreihe gab es eine gemütliche kleine Nische, in der zwei Sofas standen.
»Nett«, sagte sie anerkennend.
Sie setzten sich nebeneinander. Das Licht war noch nicht ausgegangen, der Film würde erst in ein paar Minuten anfangen. Henry schenkte den Wein ein. »Schubs mich, falls ich zu schnarchen anfange«, sagte Cassie und musterte schmunzelnd ihr großes Weinglas. Sie nahm einen kleinen Schluck.
»Und, wie hat dir deine London-Liste bis jetzt gefallen?«, erkundigte er sich. Er streckte seine langen Beine aus. Sein muskulöser Oberschenkel streifte Cassies Bein.
»Du hast dich wieder einmal selbst übertroffen! Keine Ahnung, wie du das machst.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Danke, Henry, ganz ehrlich. Es war einfach wunderbar.«
»Freut mich, dass es dir gefallen hat.«
»Kannst du mir das aufschreiben? Die London-Liste, meine ich? Die anderen hab ich mir nämlich aufgehoben. Ich möchte sie mal rahmen und aufhängen. Die geben wunderbare Klobilder ab. Sobald ich ein eigenes Klo habe, meine ich.«
»Klar, mach ich. Hast du was, wo ich draufschreiben kann?«
»Ähm …« Cassie sah sich um. »Hier, nimm das.« Sie reichte ihm eine von den weißen Papierservietten, die auf ihrem Tisch lagen.
Er hob die Augenbrauen. »Da drauf soll ich schreiben? Wo du’s doch einrahmen willst?«
»Na ja, die anderen Listen sind ja auch nicht gerade auf Büttenpapier. Für die New-York-Liste hast du ein liniertes Blatt aus einem Block gerissen, und die für Paris steht auf einer Postkarte.«
»Na gut.« Er richtete sich auf und wandte sich an den Platzanweiser, der soeben ein paar Besucher zu ihren Plätzen in der Reihe vor ihnen führte. »Entschuldigung, hätten Sie vielleicht einen Stift?« Nachdem er hatte, was er brauchte, beugte er sich über ihr Sofatischchen. »Also … Punkt eins: St. Paul’s Cathedral: in die Flüstergalerie gehen und ein Geheimnis flüstern . Das ist billiger, als zum Psychiater zu gehen, und hat denselben Effekt. Höchst therapeutisch. Vielleicht hilft’s dir ja gegen deine unerklärliche Katzenphobie.«
Cassie zuckte betreten mit den Achseln.
»Punkt zwei: im Hampstead-Heath-See baden.«
»In einem knappen goldenen Einteiler, das musst du dazuschreiben«, befahl sie, »das war nämlich das Allerschlimmste.«
»Und du hast ausgesehen wie eine Göttin!«, lachte er. »Die werden noch jahrelang an dich denken – ›die goldene Meerjungfrau an den jungfräulichen Gestaden des Hampsteader Binnenmeers‹.« Cassie schlug ihn auf den Arm, und er lachte nur noch mehr. »Kann ich was dafür? So hast du ausgesehen!«
»Punkt drei: auf den Portobello Market gehen und was ganz Besonderes kaufen.«
»Ach, ich liebe mein Vintage-Mehlsieb«, schwärmte sie. »So eins wollte ich schon lange.«
» Punkt vier: ins Electric gehen und einen alten Filmklassiker anschauen. Und Punkt fünf … « Er hörte auf zu sprechen und machte sich eine Notiz.
»Was
Weitere Kostenlose Bücher