Ein Geschenk von Tiffany
sich eine Scheibe Roastbeef ab. Es war perfekt: außen braun, innen zartrosa.
Zufrieden verzehrten sie ihr Festmahl, ohne auf die neidischen Blicke aus der Nachbarschaft zu achten, wo man sich mit Chips aus Tüten zufriedengeben musste. Dann packte Henry zusammen, denn nun käme »die letzte Etappe«, wie er sich ausdrückte.
Die »rasende Tomate« – sein Spitzname für den Mini – fuhr weiter in Richtung Norden, vorbei an hohen stuckverzierten Stadthäusern, durch den Regent’s Park, am Kopf des Hyde Park entlang, und zwängte sich schließlich in eine Parklücke, in die höchstens ein Motorroller oder eine Katze oder eben ein klassischer Mini passte.
Sie waren in Notting Hill. Cassie war schon mal hier gewesen, zusammen mit Suzy, um sich mit Hochzeitsinteressentinnen zu besprechen. Aber richtig erkundet hatte sie dieses angesagte Stadtviertel noch nicht. Langsam schlenderten sie durch die Portobello Road mit ihrem berühmten Trödelmarkt. Der Alkohol, das Mittagsschläfchen und die Sonne (ganz zu schweigen von der Turmbesteigung und dem Schwimmen) hatten Cassie herrlich entspannt. Und hier war sie in ihrem Element. Amüsiert verfolgte Henry, wie sie unbekümmert erst mit einem, dann mit einem anderen Standinhaber zu schwatzen begann.
»Dir sind solche Märkte wohl lieber als Kaufhäuser und Supermärkte, was?«, bemerkte er, während sie mit einem Standbesitzer über den Preis eines Vintage-Mehlsiebs verhandelte. Obwohl sie gar keine eigene Küche mehr hatte.
»Allerdings. Ich hab keinen Fuß mehr in einen Supermarkt gesetzt, seit ich bei Claude zu lernen angefangen habe. Ich finde, man sollte selbständige Kleinunternehmer unterstützen. Danke, ja, ich nehme es.« Sie reichte dem Händler das Geld.
»Hm«, überlegte Henry, während sie weitergingen.
»Was?«, fragte sie neugierig.
»Ich hab mich grade gefragt, ob du dich nicht mit Zara zusammentun solltest.«
»Zara? Die mit dem tollen Picknick? Ja, die würde ich wirklich gerne kennenlernen.«
Er blieb stehen und schaute sie an. »Ich meine nicht nur kennenlernen. Du solltest bei ihr einsteigen. Sie braucht einen Geschäftspartner, es ist ihr jetzt schon zu viel, und du wärst einfach ideal.«
Cassie bekam ganz große Augen. Das wäre in der Tat ein Traum! Und viel realistischer als das, was Claude mit ihr vorgehabt hatte. Catering für Picknicks – für wirklich gute Picknicks! –, das traute sie sich ohne weiteres zu. Und es wäre ja erst der Anfang.
»Ich weiß nicht … muss ich da nicht Kapital mitbringen? Und das kann ich nicht. Zumindest noch nicht. Das erwartet sie doch sicher?«
Henry zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Sie hat’s ja erst vorgestern erwähnt, als wir das mit dem Picknick besprochen haben.« Seine Augen wurden schmal. »Kriegst du nicht was aus der Scheidung?«
Cassie wandte den Blick ab. »Das schon, aber … sie ist noch immer nicht durch.«
»Was? Nach zehn Monaten? Ich dachte, ihr hättet euch längst geeinigt?«
»Ja, das dachte ich auch. Ich bin zufrieden mit dem, was ich laut Ehevertrag kriege. Es ist mehr als genug, um neu anzufangen.«
»Was ist dann das Problem?«
»Der Scheidungsgrund. Gil besteht auf ›unversöhnlichen Differenzen‹, und ich möchte, dass er sein ›unvernünftiges Verhalten‹ eingesteht.«
»Zu Recht! Dieser Scheißkerl! Erst betrügt er dich, und dann will er nicht mal dazu stehen!« Henrys Wangen waren rot geworden, seine Kiefermuskeln mahlten.
»Nicht, Henry, ich mach das schon. Mein Anwalt tut sein Bestes.«
»Ach ja? Und was kostet dich das? Dreimal so viel, als es dich kosten sollte! Und bloß, weil der feige Schweinehund nicht zu seinen Sünden stehen will.«
Cassie seufzte. Ihr Blick hing an ihrer braunen Papiertüte mit ihrem schönen Mehlsieb. Sie konnte ihre Freunde ja verstehen. Kelly, Suzy und Anouk hatten genauso reagiert. Aber was sie nicht begriffen, war, dass ihr das nicht half. Im Gegenteil: Es brachte sie nur noch mehr aus der Fassung.
»Außer …«
Cassie hob den Kopf. »Außer was?«
»Außer das ist nur ein Vorwand.«
»Was meinst du?«
»Vielleicht will er dich hinhalten. Er weiß, dass dir nicht viel an Geld liegt, dass du aber einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hast. Vielleicht benutzt er das mit der Begründung nur als Vorwand, um die Scheidung zu blockieren.«
»Das würde er nicht tun.«
»Wirklich nicht? Hast du mal mit ihm geredet? Hast du ihn seitdem mal gesehen?«
»Also, nein, ich … es gibt nichts mehr zu sagen.«
»Für dich
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