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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swan Karen
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komplizierten, mit Netzen und Ziermünzen bestickten Kleider, während Helfer ihnen gleichzeitig die Schuhe überstreiften. Die überlangen Glieder, die unbekleidet so linkisch und unreif gewirkt hatten, wurden nun anmutig und elegant, schwanenhaft. Auch bewegten sich die Mädchen jetzt anders. Auf dem Laufsteg gingen die Lichter an – orange, rosa und rot, für einen kaukasischen Sonnenuntergang –, und die ganze Atmosphäre veränderte sich schlagartig.
    Cassie schaute wieder in den Spiegel und war überrascht, was Bas inzwischen aus ihr gemacht hatte. Sie hatte dieselbe Frisur wie die Fotomodelle. Nun ja, fast.
    »Großer Gott«, rief sie aus, »das ist ja sooo cool! Ich war noch nie cool, in meinem ganzen Leben nicht!« Verblüfft musterte sie sich aus jedem Winkel. Sie sah fünf Jahre jünger aus, sah aus, als würde sie zusammen mit einer Musikband in einem Loft in SoHo hausen.
    »Das ist umwerfend!« Sie sah zu ihm auf. Zweifel huschten über ihr Gesicht. »Aber das kann ich nicht so lassen, Bas. Die würden doch alle denken, ich will so sein wie sie.« Sie wies mit dem Kopf auf die entschwindenden Models, die sich für die Laufstegprobe in eine Schlange stellten.
    »Unsinn. Du siehst sowieso viel besser aus als diese Knochengestelle. Auch wenn du viel zu dünn geworden bist.« Er drückte ihren Oberschenkel. Drei Wochen Herzeleid, Frühsport und Sushi zum Abendessen hatten ihren Tribut gefordert. Nun passte ihr die Modellkleidung problemlos. »Außerdem hab ich dir nur die Frisur gemacht, die ursprünglich geplant war. Bevor Madame in letzter Minute einen Anfall gekriegt hat …«
    Ein scharfes Knacken in der Leitung riss sie aus dem Gespräch.
    »Cassie!«, dröhnte es aus dem Kopfhörer. »Geh sofort zum Eingang. Wir öffnen in vier Minuten.« Das war Hannah, Bebes PA.
    Cassie warf einen seufzenden Blick in den Spiegel. Jetzt war’s zu spät. Sie hatte keine Zeit mehr, sich Gedanken darüber zu machen, was die Leute von ihr dachten.
    »Dinner danach?«, fragte Bas, während er seine Bürsten für die Last-Minute-Brush-ups zurechtlegte.
    »O ja, toll!«, strahlte Cassie und machte sich schwungvoll auf den Weg. »Ich sag’s Kelly.«
    Sie hob den Vorhang und wurde jäh von einem Blitzlichtgewitter geblendet. Instinktiv schlug sie die Hände vors Gesicht und duckte sich. Fünf Fuß über ihr staksten die Models durch den blendenden Nebel, während die Regisseurin Anweisungen brüllte – »Mehr Knie, Freya!« und »Ihr müsst ihre Flucht fühlen!«
    »Cassie! Wo zum Teufel steckst du?«, brüllte es ihr ins Ohr. Hannah, die zweite der bösen Stiefschwestern. Sie konnte einen manchmal sogar noch mehr erschrecken als Bebe.
    »Komme schon«, antwortete sie und wandte sich vom Gedränge der Fotografen ab, die sich am Ende des Laufstegs tummelten, wo gelbe Klebstreifen ihre Zone markierten. Diejenigen, die weiter hinten standen, hatten sich auf ihre Kamerakoffer gestellt, um über die Köpfe der anderen hinweg fotografieren zu können. Pfiffe und Johlen und anzügliche Bemerkungen waren zu hören, sobald sich eins der Models dem Ende des Laufstegs näherte und eine Wendung übte.
    Cassie rannte den Gang entlang nach hinten, dankbar für die sie umschließende Dunkelheit. Das Scheinwerferlicht war nichts für sie. Sie zog instinktiv den Schatten vor. Schon immer. Schon als Kind hatte sie bereitwillig die weise Eule gespielt, während sich Suzy, Anouk und Kelly als Prinzessin Aurora ablösten. Und später dann, als sie auf richtige Bälle gingen, war Cassie immer irgendwie auf der Toilette hängen geblieben, um jemanden den zerrissenen Kleidersaum aufzunähen oder rumzulaufen und nach einem Spitzer für den Kholstift zu suchen. Sie war die geborene Nebendarstellerin, Hauptrollen lagen ihr nicht.
    Was wahrscheinlich der Grund war, warum’s keiner fassen konnte, als sie als Erste heiratete. Es hatte die unausgesprochene Annahme geherrscht, dass Cassie unter den vieren als Letzte den Mann fürs Leben finden würde. Suzy war so forsch, dass die Männer sie kaum übersehen konnten, Anouk so verführerisch, dass die Männer sie nicht übersehen wollten, und Kelly hatte schon damals einen welterfahrenen Anstrich gehabt, dem Jungen nicht widerstehen konnten. Aber Cassie? Cassie war zu … nicht schüchtern, sie war zu bescheiden. Sie mochte es nicht, zu glänzen oder sich in den Mittelpunkt zu stellen. Was nicht daran lag, dass sie nicht genauso attraktiv war wie die anderen, doch es war leicht, sie in einer derart

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