Ein Geschenk von Tiffany
sich vor. »Was steht denn da?«
Luke versuchte es zu lesen. »Kapier ich nicht.« Er schaute sie an. » Maiden’s Blush . Sagt dir das was?«
»Maiden’s Blush?« , echote sie. »Das Erröten des jungen Mädchens? Was will er damit sagen.«
»Klingt irgendwie nach Mittelalter«, schlug er vor.
Cassie überlegte. Ein Buchtitel? Ein Lied aus ihrer Kindheit vielleicht? Nein, sie kam nicht drauf. Keine Ahnung, was er damit meinte.
Luke dagegen begann zu lachen.
»Was? Was ist denn so lustig?«, fragte sie gereizt. Sie war enttäuscht, dass sie jetzt, nach der ganzen Aufregung der Schatzjagd und all den Schachteln-innerhalb-von-Schachteln, mit einem kaputten Vorhängeschloss und einer kryptischen Botschaft dastand.
»Tja, mir ist da grade dieser Gedanke gekommen … vielleicht …« Er konnte vor lauter Lachen nicht weiterreden. »… all dieses Gerede über errötende junge Mädchen und Vorhängeschlösser! Vielleicht schenkt er dir nächstes Mal den Gürtel dazu – den Keuschheitsgürtel!«
20. Kapitel
»Also, was hast du gekriegt?«, fragte Cassie aufgeregt. Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden, Lukes Pyjamajacke hing ihr von den Schultern, und sie wärmte ihre Hände an einem Becher Weck-mich-sanft-ich-bin-ein-Morgenmuffel-Tee. Das war das Problem mit Skype: Man musste sich dafür was anziehen.
»Arch war ziemlich unartig«, strahlte Suzy. Lauter fügte sie hinzu: »Ich hab ihm gesagt, er soll nicht so viel Geld für mich ausgeben!« Dann beugte sie sich näher zum Bildschirm und wisperte: »Das mit den Haftzetteln hat prima geklappt!«
Sie trug ein neues cremeweißes Temperley-Kleid mit Goldstickerei und Schmetterlingsärmeln. Es war halb drei Uhr nachmittags in London, der Fernseher lief stumm im Hintergrund, bald würde die Rede der Queen gesendet werden. Im Hintergrund spielte sich das weihnachtliche Familienleben ab, wie Cassie erkennen konnte, wenn sie über Suzys Schulter spähte: Lacey schwebte in einem zartrosa Chiffon-Teekleid durchs Bild, Hattie legte letzte Hand an das Blumengesteck auf dem Esstisch. Henry klapperte mit den Weinflaschen herum. Auf seinem Kopf saß, schief, eine lila Papierkrone. Auch Archie streckte gelegentlich seinen verschwitzten, hochroten Kopf ins Wohnzimmer, in der Hand zwei tropfende Fleischmesser.
»Und du?«
»Ach, Kelly und ich, wir haben unsere Geschenke heute praktisch im Morgengrauen ausgepackt. Sie ist jetzt bei Bretts Familie, sie wollen die Hochzeitspläne durchgehen – und ist es zu fassen? Wir haben einander genau den gleichen Louis-Vuitton-Schal geschenkt!«
»Nee!«
»Doch!«
»Du bist zum Kelly-Klon geworden«, neckte Suzy sie.
»Ja, aber das war doch der Zweck der Übung, oder nicht?«, entgegnete Cassie selbstbewusst. »Ich schätze, das heißt, ich hab meine Prüfung bestanden: Ich bin eine richtige New Yorkerin geworden.«
»Wer hätte das gedacht? Ich jedenfalls nicht. Nie im Leben.« Suzy schüttelte den Kopf. »Aber warte nur, bis ich dich hier bei mir in London habe. Ich werde dich schon aus den schwarzen Klamotten rausholen und in was Buntes stecken!«
»Und mir was mit viel Kalorien zu essen geben, hoffe ich.«
»Klaro! Wart mal – was?« Suzy drehte sich zu jemandem um. »Ja, gut.« Sie wandte sich wieder an Cassie und verzog bedauernd das Gesicht. »Archie flippt grade in der Küche aus. ›Der Truthahn wehrt sich‹, sagt er. Ich muss ihm helfen, tut mir leid, Cass.«
»Macht doch nichts. Also, frohe Weihnachten – euch allen!« Sie rief es ein bisschen lauter, weil sie gehofft hatte, noch mit Henry reden zu können. Sie wollte sich unbedingt für das Kettchen bedanken – ein wunderbares Geschenk, auch wenn es kaputt war –, aber aus irgendeinem Grund war es ihr unangenehm, ihm im Beisein von Lacey zu danken.
Hattie meldete sich von weiter hinten. »Huuhuu! Tschüss, Cassie-Schätzchen! Du musst mich unbedingt besuchen kommen, wenn du wieder im guten alten London bist! Ich finde es gut, dass du dir nichts von deinem Mann gefallen lässt, diesem hinterhältigen Schuft! Was denkt er sich bloß dabei, ein so liebes Mädchen wie dich zu betrügen?«
»Mutter!«, zischte Suzy. »Jetzt ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt … jedenfalls hat sie inzwischen einen Freund! Sie ist sehr glücklich.« Sie drehte sich wieder zu Cassie um und verdrehte die Augen. »Sorry.«
Cassie schüttelte den Kopf. »Das macht doch nichts.« Es klingelte an ihrer Tür. »Das muss Luke sein. Ich melde mich noch mal, bevor … du weißt schon.« Das
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