Ein Geschenk von Tiffany
P-Wort war mittlerweile nicht mehr nur für Luke und Bas ein Problem.
Sie machte ihm auf und schlang die Arme um seinen Hals. Seine Hände fanden wie von selbst ihre Taille. Er zog sie an sich und küsste sie leidenschaftlich. Sie hatte seine Wohnung kurz nach dem Auspacken des Geschenks verlassen, weil sie den Abend mit Kelly verbringen wollte.
»Frohe Weihnachten, Cass«, sagte er mit heiserer Stimme und musterte liebevoll ihr ungekämmtes Haar. »Ich wünschte, ich hätte heute früh beim Aufwachen ein Foto von dir machen können.« Seufzend streichelte er ihr Haar.
»Ach, das war kein schöner Anblick, glaub mir. Kelly und ich haben viel zu viel Glühwein getrunken.«
»Es ist der schönste Anblick der Welt«, widersprach er ihr und küsste sie. »Wie geht’s Suzy?«
»Ach, die suhlt sich in ihrer Gerissenheit.«
»Die suhlt sich in was?« Er grinste dreckig.
Sie schlug ihm lachend auf den Arm. »He, halt deine schmutzige Fantasie im Zaum!«
Er fing an, die Knöpfe an ihrem – seinem – Pyjamaoberteil aufzumachen, sie sozusagen auszupacken wie ein Geschenk.
»Oi! Das ist hier ’ne Familiensendung!«
Cassie sprang erschrocken zurück. »Was? Wer?«
»Hier drüben!«
Sie blickte auf ihren Laptop hinunter. Sie war immer noch auf Skype.
»Ach du meine Güte!« Sie hielt sich das offene Schlafanzugoberteil zu und rannte zum Computer. »Ich dachte, ich hätte Schluss gemacht.«
Henry zuckte mit den Schultern. »Offenbar nicht.«
»Nein, offenbar nicht.«
Schweigend starrten sie einander über den windgepeitschten Atlantik hinweg an. Cassie nestelte knallrot an ihren Knöpfen.
»Ich … ich … wollte sowieso noch mit dir reden«, sagte sie und brachte mühsam ein Lächeln zustande. »Und dir dafür danken.« Sie hob ihm ihren Anhänger entgegen, den sie um den Hals trug. Sie hatte es doch noch irgendwie geschafft, das kaputte Schloss am Sicherheitshaken der Kette zu befestigen. Sie hoffte, dass ihm das Provisorium nicht auffiel. Es war ja nicht seine Schuld, dass der Verschluss nicht funktionierte. »Es ist wunderschön, ich bin total begeistert. Aber du hättest wirklich nicht so viel ausgeben sollen, Henry, trotzdem danke.«
»Henry?« Luke war hinter ihr aufgetaucht. »Ist er das?«, bemerkte er grob und spähte in den Bildschirm.
Cassie zuckte zusammen. Es war ihr peinlich gewesen, ihm in Gegenwart von Lacey zu danken; dass es mit Luke noch viel unangenehmer werden könnte, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
Die beiden Männer musterten sich schweigend, das Kinn gereckt, die Augen verengt, ein knappes, männliches Nicken.
»Luke Laidlaw, Cassies Freund«, betonte er fast trotzig. »Freut mich, dich kennenzulernen.«
»Henry Sallyford«, brummte Henry so würdevoll, wie es mit einer schiefen Papierkrone auf dem Kopf möglich war.
»Wir hatten unseren Spaß mit deiner Liste, stimmt’s, Cass?« Luke legte besitzergreifend eine Hand auf Cassies Schulter. Sie nickte, hätte ihm aber am liebsten ans Schienbein getreten. Er benahm sich unmöglich. »Ja … wir waren gestern in der Bibliothek, dann noch bei Tiffany’s. Hab die Gelegenheit genutzt, meiner Mutter ein Geschenk zu kaufen, das war praktisch, danke.«
»Toll«, sagte Henry grimmig. Cassie konnte sehen, wie wütend er war. Das war seine Liste, seine ganz persönliche Liste für Cassie – eine Kostbarkeit, mit all den wunderbaren Erlebnissen und Erfahrungen, die er ihr damit geschenkt hatte –, die ging niemanden was an. Schon gar nicht einen Fremden. Und sie hier so vor aller Augen durchgehechelt zu sehen wie ein YouTube-Upload traf ihn ins Mark.
Die ohnehin schon angespannte Konversation kam zu einem knirschenden Stillstand.
»Also, ich muss jetzt gehen. Das Essen steht auf dem Tisch … Frohe Weihnachten allerseits.« Henry machte Anstalten, sich zu erheben.
»Ja, dir auch frohe Weihnachten, Henry. Und schönen Gruß an Lacey.«
Er schaute sie an und nickte knapp. Dann verwandelte sich der Bildschirm in Schnee.
»Ist ja prima gelaufen«, sagte Luke grinsend, »jetzt kenne ich wenigstens das Gesicht, das zu der Liste gehört.« Er richtete sich auf und wandte sich ab.
»Ja«, murmelte Cassie erschüttert. Henry hatte sich solche Mühe mit seiner Weihnachtsüberraschung für sie gegeben. Und wie hatte sie es ihm gedankt? Sie wünschte, die letzten fünf Minuten wären nie passiert.
Ihr Pyjama-Oberteil zuknöpfend ging sie ins Schlafzimmer. Luke war bereits dort. Zwei schwarze Schachteln – eine kleine, eine große –
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