Ein Geschenk von Tiffany
kannst du laut sagen.« Dann schüttelte sie Robin die Hand. »Noch mal herzlichen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben, Robin. Sie haben bestimmt was Besseres zu tun, als eine fremde Engländerin zu babysitten.«
Er schüttelte lachend den Kopf. »Keineswegs. Ich lasse mich immer gern in eins von Henrys Abenteuern verwickeln.« Lächelnd drückte er erst Cassie, dann auch Luke die Hand. »Aber bevor ich’s vergesse, ich soll Ihnen ja noch das hier geben.«
Er reichte ihr einen kleinen quadratischen Briefumschlag. Cassie zog eine Karte heraus, auf der ein Bild von einem robin , einem Rotkehlchen, prangte. Sie klappte die Karte auf und las, was darin stand.
»Ach du liebes bisschen«, murmelte sie, hob den Kopf und schaute Luke an.
»Was jetzt?«, fragte dieser nervös.
Sie reichte ihm die Karte.
Das war deine vergangene Weihnacht. Die gegenwärtige Weihnacht findest du bei Tiffany’s an der Fifth Avenue. Keine New-York-Erfahrung ist vollständig, wenn du nicht wenigstens einmal dort gewesen bist.
Alles Liebe, Henry x
»Will er mir etwa was von Tiffany’s schenken?«, fragte Cassie mit verblüfftem Entzücken.
»Bestimmt nicht«, entgegnete Luke barsch.
Cassie fiel zusammen wie ein Reifen, aus dem man die Luft rausgelassen hat. »Och. Und wieso nicht?«
»Du hast doch gesagt, er ist bloß ein alter Freund.«
»Na und?«
»Ich schenke meinen alten Freunden doch nichts von Tiffany’s«, sagte er missbilligend zu Cassie.
»Neuen Freunden doch auch nicht«, neckte sie ihn, »nicht mal neuen Freundinnen. Aber vielleicht ändert sich das ja, wenn wir dort sind?« Sie hakte sich lachend bei ihm unter.
»Das gefällt mir nicht.« Seine Stimme triefte vor Eifersucht.
»Er ist doch bloß ein alter Freund. Und außerdem verlobt«, versicherte sie ihm zum hundertsten Mal. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Du solltest mal seine Verlobte sehen. Wenn ich’s recht bedenke, hast du sie wahrscheinlich sogar schon irgendwann mal fotografiert.« Sie schüttelte noch einmal Robin die Hand und zog Luke dann eilends davon. Sie mussten schleunigst in die Fifth Avenue, denn die Geschäfte machten am Weihnachtsabend früher zu als sonst.
Sie erreichten das berühmte Juweliergeschäft eine halbe Stunde vor Ladenschluss. Trotzdem wimmelte es noch von Kundschaft, hauptsächlich Männer in teuren Kaschmirmänteln, die mit nachdenklichen Gesichtern kostspielige Last-Minute-Einkäufe machten, in der Hoffnung, mit dem Wow-Faktor des auffallenden blauen Schächtelchens ihren Mangel an Originalität wieder wettzumachen.
»Und jetzt?«, fragte Luke. Er war in mürrisches Brüten verfallen. Es passte ihm gar nicht, dass er seinen ersten gemeinsamen Besuch im Geschäft ausgerechnet auf Anweisung eines »guten Freundes« seines Mädchens machen musste.
»Weiß nicht«, sagte Cassie zerstreut. Sie sah sich atemlos um. Alles war genauso wie in dem Film: die Kirschholztische, in denen unter Glas die Kostbarkeiten funkelten, weiter hinten ein riesiger, herrlich geschmückter Christbaum, unter dem zahlreiche Schachteln als liebevolle Dekoration ausgebreitet lagen. Tiffany’s: der Inbegriff des Megawatt-Glamours der New Yorker Society.
»Wir … mischen uns einfach unter die Leute«, schlug sie vor, »und tun so, als ob wir dazugehörten.«
Luke schaute sie erstaunt an, doch sie zuckte mit den Achseln. Er konnte das nicht verstehen. Für ihn war das nur ein ganz normales Geschäft, das in Kürze über die Feiertage schließen würde. Aber für sie – deren Vorstellung von einem gelungenen Weihnachtseinkauf bisher darin gipfelte, bei der Farmersfrau zwei neue Aran-Pullis für sich und Gil zu erstehen – war dies die Verkörperung all ihrer Fantasien vom High Life in der City of Dreams. Hinter ihr sang unter einer gewaltigen UNICEF-Schneeflocke, die von der Decke hing, ein Gospelchor aus Harlem Weihnachtslieder. Angestellte gingen mit Tabletts umher und boten der Kundschaft Sekt und Trüffel an. Cassie fühlte sich in Weihnachtsstimmung getunkt wie eine Birne in Portwein.
Luke machte sich achselzuckend davon, wollte seine Einkäufe offenbar lieber allein erledigen. Cassie hütete sich, zu ihm hinzusehen. Sie hatte das mit dem Geschenk nur als Scherz gemeint, war davon ausgegangen, dass er das längst erledigt hatte. Aber vielleicht war er ja nicht anders als die Männer hier, die auch bis zur letzten Minute gewartet hatten …
Langsam ging sie umher, schaute in die Auslagen, an die sie herankam. Ein Verkäufer bot ihr
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