Ein Geschenk von Tiffany
diesen einen letzten Tag. Insgeheim war sie ganz verzweifelt darüber, dass sie diesen letzten Tag nicht gemeinsam verbringen würden. Es war immerhin das Ende ihres Abenteuers. Aber Cassie wollte nicht unfair sein: Kelly hatte ja versucht, Luke und sie dazu zu überreden, sie zu begleiten. Cassie hätte das auch gern getan, ein letztes gemeinsames Hurra, eine letzte Nacht lang durchfeiern in der Stadt, die niemals schlief.
Doch Luke wollte nicht. Er hatte gesagt, er habe keine Lust, sie »mit Wildfremden zu teilen«. Außerdem könne er »Pinguinanzüge« nicht ausstehen.
Bewundernd musterte sie Kellys Kleid. Es war das gleiche, das sie, Cassie, damals an ihrem letzten Tag in Schottland getragen hatte, nur in einer etwas anderen Farbe: schwarz, mit raffiniert platzierten, mit Spitze ausgeschlagenen Öffnungen. Kelly trug es auch ganz anders als sie – provokativ, wissend, verführerisch –, nicht verlegen, als habe sie das Gefühl, im Negligé rumzulaufen.
»Du siehst umwerfend aus«, sagte Cassie lächelnd und schüttelte mit tränenfeuchten Augen den Kopf. »Brett wird so stolz sein, wenn er mit dir am Arm dort auftaucht.«
Kelly schaute sie an, wie sie zusammengekauert am Fenster saß und mit den Fingerspitzen abwesend über ihren Rasen streichelte. Das machte sie jetzt immer, wenn sie etwas plagte.
»Es ist noch genug Zeit«, sagte sie und setzte sich neben sie. »Ich kenne den Verantwortlichen für den Ball, ich könnte dich auf die Gästeliste …«
Cassie schüttelte den Kopf. »Nein, das hätte keinen Zweck. Luke will unbedingt mit mir allein feiern.«
Kelly machte den Mund auf, um etwas zu sagen … dann schloss sie ihn wieder, biss sich auf die Lippe.
»Er ist ganz verrückt nach dir. Das ist das Problem.« Kelly tätschelte ihr das Knie. »Wer hätte das gedacht? Du kommst nach New York, hast keine Ahnung von der Fashion-Industrie – Kelly, wer ist Oscar de la Renta? Wer ist die Herausgeberin der Vogue ?« Cassie erbleichte, und Kelly drückte beruhigend ihr Knie. »Und dann angelst du dir den heißesten Fotografen der Stadt. Hätte nie gedacht, dass so was in dir steckt«, sagte sie voller Zuneigung. »Hör zu, wir sehen uns gleich morgen früh, okay? Ein letztes Frühstück im Sant Ambroeus – um der alten Zeiten willen.«
»Klar, das wär schön«, sagte Cassie tapfer.
Es klingelte. »Das wird Brett sein. Ich treffe mich unten in der Lobby mit ihm.« Kelly stand auf.
»Warte, ich geh mit runter.« Cassie nahm ihre neue Jacke von der Sofalehne.
»Kommst du allein zurecht? Ich würde dich ja gern in unserem Taxi mitnehmen, aber wir müssen leider in die andere Richtung«, entschuldigte sich Kelly.
»Keine Sorge, ich geh zu Fuß. Ich geh gern im Schnee spazieren.«
Kelly verzog das Gesicht. »Hast du überhaupt passende Schuhe? Die Lederstiefel würde ich nicht anziehen, die kriegen sonst Wasserflecken.«
»Tada!«, sagte Cassie und holte ihre alten gummigrünen Gartenboots aus dem Schuhschränkchen in der Diele. Wehmütig starrte sie sie an. Welche Ironie, dass sie sie seit dem ersten Tag nicht mehr getragen hatte und jetzt, am letzten, wieder anzog.
Sie fuhren zusammen im Lift nach unten und winkten Bill fröhlich zu, dessen Schicht gleich zu Ende sein würde.
Brett sah großartig aus, in seinem Pinguinanzug, fand Cassie. Neidisch winkte sie ihnen nach. Drüben, auf der anderen Seite des Großen Teichs, würde der Hogmanay , der traditionelle schottische Festtag, den Gil und sie jedes Jahr an Silvester veranstaltet hatten, bereits begonnen haben. Die Glocken würden schon vor einer Stunde geläutet und auch die first footer würden bereits die Schwelle überschritten haben, in der Hand das traditionelle Stück Kohle. Mit wirbelnden Kilts, verrutschten Schärpen und fliegenden Beinen würden sie ins neue Jahr hineintanzen.
Sie wollte etwas machen, das mithalten konnte – Lärm und Gelächter, Musik und Tanz, Glanz und Glitter. Sie wollte nicht in einem einsamen Loft hocken und im Schein von Teelichtern, zur Musik von Blondie aus dem iPod das neue Jahr erwarten. Sie wollte etwas Besonderes, etwas, das einem lange in Erinnerung blieb. Sie wollte Gil zeigen, dass sie ohne ihn zurechtkam – selbst wenn er’s nicht sah.
Traurig stapfte sie los. Der Schnee war wunderschön, weiß und unberührt, aber schon morgen würde er sich unter dem Getrampel der Massen, den Reifen der Taxis und Busse in einen grauen Matsch verwandelt haben. Fast war sie froh darüber, nicht mehr sehen zu
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