Ein Geschenk von Tiffany
meinst du?«
»Toll«, sagte Cassie schwach. Sie war noch ein wenig mitgenommen von der Schelte vorhin.
»Ach, sei mir nicht böse, Cass«, sagte Anouk ruhig, »manchmal reg ich mich einfach zu schnell auf. Aber ich will dir nur helfen, das Beste aus dir zu machen, mehr nicht.«
»Ich weiß. Ich bin bloß müde.«
»Das verstehe ich. Und genau deshalb sind wir hier. Vor uns liegen vier Stunden Entspannung.«
»Vier Stunden?«, fragte Cassie fassungslos. Was Kelly alles in vier Stunden erledigt hätte! Und sie musste diese vier Stunden in Papierunterhosen verbringen …
»Vier Stunden. Nur keine Hetze«, sagte Anouk und reckte genüsslich die Arme. »Das versuche ich ja gerade, dir begreiflich zu machen: Man kann die Risse nicht einfach mit Schminke und trendy Klamotten zukleistern. Hier in Paris, chérie , kommt die Schönheit von innen.«
22. Kapitel
Cassie schaute in ihren Kaffee und fragte sich unwillkürlich, ob ihr Löffel wohl drin stecken bleiben würde. »Ich vermisse meine Kamille«, seufzte sie. Sie sehnte sich nach einer Tasse frischen Kamillentees, der zu ihrem täglichen Weckritual geworden war. Als die Mädchen Anfang Dezember zum Shoppen in New York gewesen waren, war Suzy gestolpert und hatte sich mit einer Hand auf ihrem Rasen abgestützt. Erst da hatte ihnen der frei werdende Duft verraten, dass es sich bei dem, zugegeben etwas krautigen, Rasen um Rasenkamille handelte.
»Das klingt ja, als würdest du von einem Haustier reden«, scherzte Anouk. Sie las die Monde. Die Zeitung sah aus, als hätte Anouk sie gebügelt.
»Das war sie auch fast. Ich musste mich um sie kümmern – sie wässern, sehen, dass sie auch genug Sonne kriegt, aber nicht zu viel, sie bei Frost vom Fenster wegstellen …«
»Gassi führen, mit Vitaminen versorgen, ihr sagen, dass du sie lieb hast …«, neckte Anouk sie.
»Du bist doch bloß neidisch, weil du nicht weißt, was es heißt, seinen eigenen Rasen zu haben.«
Anouk lachte. Beide hatten wunderbar geschlafen und waren daher guter Dinge. Tatsächlich konnte sich Cassie nicht erinnern, je so gut geschlafen zu haben. Was genau das bewirkt hatte, wusste sie nicht – die Eukalyptus-Dampfkammer, das Ganzkörper-Peeling auf dem vorgewärmten Granittisch (der erstaunlich bequem gewesen war), die nährende Haarmaske, die Anti-Aging-Honigmaske oder vielleicht auch die Ganzkörperpackung aus Brauereihefe. Wie auch immer, sie war sanft entschlummert, und von ihrem Jetlag hatte sie heute Morgen nichts mehr gespürt.
Cassie nahm einen Schluck von ihrem Espresso und spürte ihn wie einen Magenschwinger. »Wusstest du, dass ich in New York nie vor elf Uhr Kaffee getrunken habe?«
Anouk, die einen dünnen taupefarbenen Morgenmantel trug, zog die Augenbrauen hoch, sah aber nicht auf. » Vraiment? Wie bist du da wach geworden?«
»Ich bin gejoggt.«
Anouk verzog ihr Gesichtchen. »Wie grausam!«
»Allerdings«, bestätigte Cassie und rührte grimmig in ihrem Sirup. »Und was macht man hier so für Sport?«
Anouk zuckte die Achseln. »Spazieren gehen. Ich fahr auch manchmal mit dem Fahrrad.«
»Ich kann mir dich gar nicht auf einem Fahrrad vorstellen, Nooks. Was hast du – ein Mountainbike? Ein Rennrad? Nein, sag nichts, du hast ein BMX.«
Anouk blätterte um und sah auf. »Ich hab einen Chopper«, sagte sie trocken. Dann brachen beide in Gelächter aus.
»Aaah, das kann ich mir vorstellen«, lachte Cassie und wischte sich die Augen. Dann riss sie ihr Croissant auseinander und kleckste jede Menge Butter und Marmelade drauf. Endlich wieder – erlaubte – Kalorien! Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Obwohl ihr auffiel, dass Anouk keins aß. Sie hoffte wirklich, dass sie sich hier wieder einigermaßen normal würde ernähren können. Sie hatte in New York sechs Pfund verloren, mehr durfte sie wirklich nicht mehr abnehmen.
Sie fragte sich, wie es hier wohl werden würde. Wie seltsam es gewesen war, in ihrem neuen Zimmer aufzuwachen, die Geräusche von draußen zu hören, die Nachbarn im Hinterhof, die sich in einer ganz anderen Sprache unterhielten. Sie hatte zwar ein Jahr als Au-pair bei Anouks Eltern in Méribel verbracht und konnte die Sprache ziemlich fließend sprechen, aber ihr Französisch war natürlich eingerostet. Sie würde sich erst wieder einhören müssen.
Sie biss in ihr Croissant und schaute aus dem Fenster. Es war Montag, und der Verkehr, der über die Brücken donnerte, verriet, dass Paris seinen Feiertagsschlaf abgelegt hatte.
»Also, was steht
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