Ein Geschenk von Tiffany
bisschen Vernunft beizubringen, Cassie«, bat Florence und beugte sich vor. »Ihr seid alte Freunde. Auf dich würde sie bestimmt hören.«
Cassie schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin die Letzte, auf die sie hören würde. Ich weiß ja kaum was über ihr Leben, über ihre Vorlieben und Abneigungen.«
»Ach!«, sagte Florence und lehnte sich befremdet zurück.
Eine verlegene Stille trat ein. Anouk musterte Cassie, und Cassie musterte das Tischtuch. Sie hatte das nicht so gemeint, nicht als Infragestellung ihrer Freundschaft jedenfalls.
»Ich widerspreche dir ja nicht gern, Cassie«, sagte Anouk ein wenig später, »aber du bist durchaus meine erste Anlaufstelle in vielen Dingen. Erstens mal würde ich alles dafür geben, so kochen zu können wie du. Ich brauche nur Wasser aufzusetzen, um einen Topf zu ruinieren. Du bist die Einzige, die ich um mich haben wollte, wenn ich in einer Krise stecke. Und was deine Loyalität und deinen Mut betrifft …« Sie schaute Florence an. »Hast du gewusst, dass sie das entscheidende Tor gegen unsere Erzfeindinnen in der Lacrosse-Meisterschaft mit zwei gebrochenen Fingern erzielt hat? Und kein Wort gesagt hat, bis wir die Trophäe in der Hand hatten?«
Florence machte große Augen, was aber wahrscheinlich mehr daran lag, dass sie sich Anouk nicht als Lacrosse-Spielerin vorstellen konnte, als daran, dass Cassie mit zwei gebrochenen Fingern ein Tor erzielt hatte.
»Und das alles ist noch gar nichts, wenn ich dran denke, wie stolz ich auf sie bin, dass sie die letzten vier Monate mit so viel Würde durchgestanden hat.«
Wieder trat eine verblüffte Stille ein, diesmal jedoch aus ganz anderen Gründen. Cassies Augen glänzten feucht.
Anouk holte tief Luft und schaute ihre Kollegin an. »Also musst du jetzt, Florence, Cassie für die nächsten Monate einen Job geben. Denn deine Chancen, mich zu bekommen, sind weit größer, wenn ihr Cassie auf eurer Seite habt.«
»Ich wusste gar nicht, dass du so denkst«, sagte Cassie, während sie über die Pont Saint-Louis gingen, die die beiden Seine-Inseln – der eigentliche Geburtsort der Stadt Paris – miteinander verband.
»Und ich wusste nicht, dass du so denkst«, entgegnete Anouk und drückte ihr lächelnd den Arm.
Cassie zuckte die Achseln. »Ich wollte dich nicht kränken, Anouk, verzeih, das war nicht meine Absicht.«
»Weiß ich doch.«
»Ich hab bei dir immer das Gefühl gehabt, irgendwie nicht mithalten zu können. Du warst immer so erwachsen, selbst als wir noch Kinder waren. Ich hätte nie auch nur im Traum gedacht, dass ich dir auch was zu geben habe.«
»Nichts, abgesehen von Humor, Einfühlungsvermögen, Treue …«
Sie blieben mitten auf der Brücke stehen und schauten auf den Fluss hinunter. Zwei Schwäne glitten auf den braunen Fluten unter ihnen vorbei.
»Die paaren sich fürs ganze Leben, wusstest du das?«, sagte Anouk und zündete sich eine Zigarette an.
»Die Glücklichen«, brummelte Cassie.
Anouk blies eine weiße Rauchfahne aus, die vom Wind davongetragen wurde. »Vermisst du ihn?«
»Wen – Gil?« Cassie drehte sich um und lehnte sich ans Brückengeländer. Ein flüchtiger Sonnenstrahl streifte ihr Gesicht wie ein Windhauch. »Ja und nein. Ich war ja zum Glück längst gewöhnt, ohne ihn auszukommen: Er war ja die meiste Zeit in Edinburgh. Nein, es sind Kleinigkeiten, die wehtun: Wenn ich zum Beispiel einen kleinen Jungen sehe und an Rory denken muss. Und im Flugzeug, da war ein Mann, der hatte Gils Lieblingskrawatte an … Und an Gils Geburtstag … ich war so nah dran, ihn anzurufen.«
»Du hast seitdem nicht mehr mit ihm geredet?«
»Nein. Wozu auch? Einen Weg zurück gibt es nicht mehr, selbst wenn wir wollten. Unser Leben war auf einer Lüge aufgebaut. In den zehn Jahren unserer Ehe war Rory drei davon da, aber wann es eigentlich mit Wiz und ihm angefangen hat, weiß ich nicht. Zwei Jahre früher? Oder vielleicht sogar schon vor unserer Heirat?« Ihre Stimme stockte, und sie machte rasch die Augen zu.
»Na ja, es wird nicht lange dauern, bevor er dasselbe mit ihr macht, was er mit dir gemacht hat.«
Aber Cassie schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Die zwei sind wie füreinander geschaffen, das sehe ich jetzt.«
»Mon Dieu« , sagte Anouk leise, »du warst die perfekte Ehefrau und nun bist du die perfekte Ex-Frau.« Sie sah Cassie an. »Und Luke? Hast du schon mit ihm geredet?«
Cassie schüttelte den Kopf. »Das ist vielleicht das Allerschlimmste. Er reagiert nicht auf
Weitere Kostenlose Bücher