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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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und

     
    wie immer und sicher bis in alle Ewigkeit ordneten wir uns dem Vorschlag unserer älteren Schwester unter.
    Man hätte meinen können, die hinterste Sitzreihe im Bus gegen Ende einer Ferienkolonie. Blatt und Stift wurden von einer Hand zur nächsten gereicht. Gedanken, Grüße, Nettigkeiten, Dummheiten, kleine Herzchen und große Küsse.
     
    Der Haken war - aber dafür konnte unser Pop nichts, schuld war der Mai 68 -, dass wir nicht genau wussten, wohin wir den Brief schicken sollten.
    »Ich glaube, er ist gerade auf einer Werft in Brighton.«
    »Von wegen«, scherzte Vincent, »dort ist es viel zu kalt! Er mit seinem Rheuma! Der Gute ist mit Richard Lodge in Valencia.«
    »Bist du sicher?«, wunderte ich mich. »Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, war er auf dem Weg nach Marseille.«
    »... «
    »Gut«, entschied Lola, »ich bewahre den Brief in meiner Tasche auf, und wer ihn als erster aufspürt, sagt Bescheid.«
     
    Schweigen.
     
    Aber Vincent schlug ein paar Akkorde an, damit wir es nicht hörten.
     
    In einer Tasche ...
    Die ganzen Küsse, die nicht zu übermitteln waren. All die Herzchen, weggesperrt zu Schlüssel und Scheckheft.
    Unter dem Pflaster, nichts.
     
    Zum Glück hatte ich meinen Hund! Er war voller Flöhe und leckte sich sorgfältig die Klöten.
    »Worüber lachst du, Garance ?«, fragte mich Simon, um die schwermütige Stimmung zu übertönen.
    »Ach, nichts. Ich habe einfach nur ganz viel Glück ...«
     
    Meine Schwester holte wieder ihre Farben heraus, die Jungs badeten, und ich beobachtete meinen Schatz, der bei jedem Bissen Brot mit Rillettes zusehends auflebte.
    Das Brot spuckte er wieder aus, der Lump.
    »Wie willst du ihn nennen?«
    »Keine Ahnung.«

     
    Lola war es, die zum Aufbruch blies. Sie wollte angesichts der gerichtlich festgelegten Besuchsregelung nicht zu spät kommen, und wir spürten bereits, wie hektisch sie war. Mehr als hektisch, unruhig, mürbe, mit einem schiefen Lächeln im Gesicht.
     
    Vincent gab mir meinen iPod zurück, den er mir vor Monaten abgeknöpft hatte:
    »Hier, ist ja schon lange her, dass ich versprochen habe, dir ein paar Lieder zusammenzustellen ...«
    »Oh, vielen Dank! Hast du alles draufgeladen, was ich liebe?«
    »Nein. Nicht alles, natürlich. Aber du wirst schon sehen, die Auswahl ist nicht schlecht...«
    Wir umarmten uns und gaben, um es kurz zu machen, ein paar alberne Sticheleien von uns, dann schlössen wir uns im Auto ein. Simon passierte den Wassergraben und hielt noch einmal an. Ich lehnte mich aus dem Fenster und schrie:
    »He! Don Juan!«
    »Was ist?«
    »Ich hab auch ein Geschenk für dich!« »Was denn?« »Eva.« »Wie, Eva?«
    »Sie kommt übermorgen mit dem Bus aus Tours.«
    Er kam angerannt. »Was faselt ihr da?«
    »Wir faseln gar nicht. Wir haben sie vorhin angerufen, während du gebadet hast.«
    »Lügnerinnen.« (Er war ganz bleich.) »Wo hattet ihr überhaupt ihre Nummer her?«
    »Wir haben auf deinem Handy nachgeschaut.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Du hast recht. Es ist nicht wahr. Aber geh trotzdem zur Bushaltestelle, für alle Fälle.« Er war ganz rot.
    »Was habt ihr der Armen denn erzählt?«
    »Dass du in einem großen Schloss lebst und ein wunderbares Solo für sie komponiert hast und dass sie es sich unbedingt anhören muss, du würdest es ihr in einer Kapelle vorspielen, und es wäre super-romantitschno ...«
    »Super-was?«
    »Das ist Serbokroatisch.«
    »Ich glaube euch kein Wort.«
    »Dein Pech. Dann wird Nono sich halt um sie kümmern ...«
    »Stimmt das, Simon?«
    »Keine Ahnung, aber wie ich unsere beiden Xanthippen kenne, ist alles möglich ...« Er war ganz rosig.

     
    »Ernsthaft? Sie kommt übermorgen?«
     
    Simon gab wieder Gas.
    »Mit dem Bus um achtzehn Uhr vierzig!«, präzisierte Lola.
    »Gegenüber von Pidoule!«, brüllte ich ihr über die Schulter.
     
    Als er komplett aus dem Rückspiegel verschwunden war, sagte Simon:
    » Garance ?«
    »Was ist?«
    »Pidou-NE.«
    »Ach ja, sorry. He! Hier ist der andere Verrückte. Fahr ihn um!«
     
     
     
    Wir warteten, bis wir auf der Autobahn waren, um uns Vincents Geschenk anzuhören.
     
    Lola hatte sich endlich dazu durchgerungen, Simon zu fragen, ob er glücklich sei.
    »Fragst du wegen Carine?«
    »Ein bisschen schon ...«
    »Wisst ihr. Zu Hause ist sie viel netter. Nur wenn ihr dabei seid, ist sie so anstrengend. Ich glaube, sie ist eifersüchtig. Sie hat Angst vor euch. Sie denkt, dass ich euch lieber habe als sie und - und

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