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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Grace von ihrem Treffen mit Dr. Smith zu
berichten. »Du glaubst also, daß er die Nerven verliert und
zugibt, daß er gelogen hat?« fragte Jonathan, als sie ihn
erreichte.
»Ich denke schon.«
    Grace war an dem mitangeschlossenen Nebenapparat. »Laß
uns Kerry eben meine Neuigkeit erzählen. Kerry, heute war ich
entweder eine gute Detektivin, oder ich hab’ mich schrecklich
lächerlich gemacht.«
    Kerry hatte es am Sonntag nicht für wichtig gehalten, Jason
Arnotts Namen mit ins Spiel zu bringen, als sie Jonathan und
Grace über Dr. Smith und Jimmy Weeks informiert hatte. Als
sie jetzt hörte, was Grace über ihn zu sagen hatte, war sie froh,
daß keiner der beiden sehen konnte, was für ein Gesicht sie
machte.
    Jason Arnott. Der Freund, der ständig mit Suzanne Reardon
zusammen war. Er, dessen vorgebliche Freimütigkeit Kerry zu
affektiert vorgekommen war, um echt zu sein. Wenn er also ein
Dieb war, wenn er dem von Grace beschriebenen FBI-Flugblatt
zufolge obendrein unter Mordverdacht stand, wie paßte er dann
in den rätselhaften Wirrwarr, der den Sweetheart-Mordfall
umgab?

84
    Dr. Charles Smith saß noch stundenlang da, nachdem er Kerry
hinausgeworfen hatte. »Nötigung!«
»Mord!«
»Lüge!« Die Anschuldigungen, die sie ihm ins Gesicht
geworfen hatte, ließen ihn vor Ekel erschauern. Es war der
gleiche Ekel, den er verspürte, wenn er ein verstümmeltes oder
vernarbtes oder schlicht häßliches Gesicht ansah. Er spürte
dann, wie sein ganzes Wesen vor Verlangen danach verzehrt
wurde, dieses Gesicht zu verwandeln und wiederherzustellen,
die Dinge wieder ins reine zu bringen. Dafür die Schönheit zu
finden, die seine geübten Hände Knochen und Muskeln und
Gewebe abzuringen wußten.
In solchen Momenten richtete sich der Ingrimm, der ihn
erfüllte, stets auf das Feuer oder den Unfall oder die unfaire
Vermischung von Genen, was immer die Entstellung verursacht
hatte. Jetzt aber war sein Ingrimm auf die junge Frau gerichtet,
die hier einfach den Stab über ihn gebrochen hatte.
»Nötigung!« Ihm Nötigung und Aufdringlichkeit zu
unterstellen, bloß weil ihm ein flüchtiger Blick auf die
annähernde Vollkommenheit, die er erschaffen hatte, Freude
machte! Er wünschte, er hätte in die Zukunft schauen und
erkennen können, daß das die Art und Weise war, wie Barbara
Tompkins ihm ihren Dank erweisen würde. Er hätte ihr dann
schon ein Gesicht gezaubert - ein Gesicht mit Haut, die in lauter
Falten zerfiel, mit Tränensäcken unter den Augen und mit
aufgeblähten Nasenflügeln.
Was, wenn McGrath tatsächlich Tompkins zur Polizei
mitnahm, um die Beschwerde einzureichen? Sie hatte es
angedroht, und Smith wußte, daß sie es ernst gemeint hatte.
Einen Mörder hatte sie ihn genannt. Mörder! Glaubte sie denn
tatsächlich, daß er Suzanne hätte töten können? Brennender
Schmerz durchfuhr ihn, während er aufs neue den Augenblick
durchlebte, als er damals wieder und wieder an der Tür geläutet
und schließlich den Griff bewegt und dabei festgestellt hatte,
daß die Haustür nicht verschlossen war.
Und dann Suzanne, dort in der Eingangshalle, fast ihm zu
Füßen. Suzanne - und doch nicht Suzanne. Diese entstellte
Kreatur mit hervorquellenden, blutunterlaufenen Augen, mit
offenstehendem Mund und herausgestreckter Zunge das war
nicht das exquisite Geschöpf, das er erschaffen hatte.
Sogar ihr Körper erschien plump und unschön, so verkrümmt,
wie er da lag - das linke Bein war unter das rechte verdreht, der
Absatz des linken Schuhs stach in die rechte Wade, und dann
diese frischen roten Rosen, über sie verstreut wie eine höhnische
Huldigung an den Tod.
Smith erinnerte sich, wie er damals über ihr stand und nur den
einen unangemessenen Gedanken hatte - daß es das war, was
Michelangelo empfunden hätte, wenn er seine Pietà so an
Gesicht und Gliedern verstümmelt gesehen hätte, wie sie es
dank des Irren war, der sie vor einigen Jahren in der
Peterskirche attackiert hatte.
Er dachte daran, wie er Suzanne verflucht hatte, verflucht,
weil sie seine Warnungen nicht beachtet hatte. Sie hatte Reardon
gegen seinen Wunsch geheiratet. »Warte ab«, hatte er sie
gedrängt. »Er ist nicht gut genug für dich.«
»In deinen Augen wird nie einer gut genug für mich sein«,
hatte sie zurückgeschrien.
Er hatte es ertragen mitanzusehen, wie sie einander
anschauten, wie sie ihre Hände auf dem Tisch ineinander
verschlangen, wie sie gemeinsam dasaßen, Seite an Seite auf

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