Ein Gesicht so schön und kalt
hat jetzt ihren ganzen
Schmuck, auch alles, was ich ihr geschenkt hatte.«
Als der Wachposten sie darauf hinwies, daß die Besuchszeit
vorüber sei, stand Reardon auf und blickte Kerry direkt ins
Gesicht. »Ms. McGrath, ich gehöre nicht hierher. Irgendwo da
draußen läuft der Kerl rum, der Suzanne umgebracht hat. Und
irgendwo muß es einfach etwas geben, das es beweisen wird.«
Geoff und Kerry gingen zusammen zum Parkplatz. »Sie
hatten doch bestimmt keine Zeit zum Mittagessen«, sagte er.
»Warum essen wir nicht schnell einen Bissen?«
»Ich kann nicht, ich muß wieder zurück. Geoff, ich muß Ihnen
sagen, daß ich nach dem, was ich heute gehört habe, keinen
einzigen Grund sehen kann, weshalb Dr. Smith gelogen haben
soll. Reardon sagt doch, daß sie einen einigermaßen
freundlichen Umgang miteinander hatten. Sie haben gehört, wie
er sagte, er hätte Suzanne nicht geglaubt, als sie ihm erzählte, ihr
Vater hätte ihr ein paar Schmuckstücke geschenkt. Falls er
anfing, wegen dieser Stücke eifersüchtig zu werden, nun,
dann…« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Sonntag, 29. Oktober
26
Am Sonntag morgen die nte Robin bei der Zehn-Uhr-Messe
als Ministrantin. Wenn Kerrys Blicke der Prozession von der
Sakristei durchs Kirchenschiff folgten, mußte sie immer daran
denken, wie gerne sie als Kind ministriert hätte und wie sie dann
darüber aufgeklärt wurde, das sei nicht möglich, nur Jungen
seien zugelassen.
Die Zeiten andern sich, überlegte sie nachdenklich. Ich hätte
nie für möglich gehalten, meine Tochter am Altar zu sehen, ich
dachte nie, ich würde eines Tages geschieden sein, ich glaubte
nie, eines Tages Richterin zu werden. Vielleicht Richterin zu
werden, verbesserte sie sich. Sie wußte, daß Jonathan recht
hatte. Frank Green jetzt in Verlegenheit zu bringen hieß nichts
anderes, als den Gouverneur in Verlegenheit zu bringen. Es
konnte ihre Ernennung zunichte mache n. Der gestrige Besuch
bei Skip Reardon war womöglich ein entscheidender Fehler
gewesen. Weshalb wieder ihr Leben verpatzen? Sie hatte es
schon einmal getan.
Ihr war klar, daß sie sich durch die ganze Skala der Gefühle
Bob Kinellen gegenüber durchgearbeitet hatte: Erst liebte sie
ihn, dann war sie am Boden zerstört, als er sie verließ,
schließlich wurde sie zornig auf ihn und nahm es sich selbst
übel, daß sie ihn nicht als den Opportunisten erkannt hatte, der
er war. Jetzt reagierte sie hauptsächlich mit Gleichgültigkeit auf
ihn, außer wenn es um Robin ging. Nichtsdestotrotz versetzte es
ihr jedesmal einen Stich, wenn sie Paare in der Kirche sah, ob
sie in ihrem eigenen Alter waren, ob jünger oder älter - es tat
einfach weh. Wenn Bob nur der Mensch gewesen wäre, den ich
in ihm gesehen habe, dachte sie. Wenn er nur der Mensch wäre,
für den er sich selbst hält. Mittlerweile wären sie elf Jahre
verheiratet. Mittlerweile hätte sie auch sicher noch mehr Kinder.
Sie wollte immer drei haben.
Während sie Robin dabei beobachtete, wie sie den
Wasserkrug und das Becken zur Handwaschung in Vorbereitung
für die Segnung durch den Priester zum Altar trug, blickte ihre
Tochter hoch und wechselte einen Blick mit Kerry. Ihr kurzes
Lächeln rührte Kerry. Worüber beklage ich mich eigentlich?
hielt sie sich vor. Was immer geschieht, ich habe doch sie. Und
wie es Liebesverbindungen nun einmal an sich haben, war
unsere alles andere als perfekt, aber wenigstens ist etwas Gutes
daraus hervorgegangen. Kein anderes Paar außer Bob Kinellen
und mir hätte genau dieses wundervolle Kind bekommen
können, überlegte sie.
Während sie weiterhin zuschaute, fiel ihr plötzlich ein anderes
Eltern-Kind-Verhältnis ein: Dr. Smith und Suzanne. Sie war das
einzigartige Ergebnis der Gene von ihm und seiner früheren
Frau gewesen. Im Zeugenstand hatte Dr. Smith ausgesagt, nach
seiner Scheidung sei seine Frau nach Kalifornien gezogen und
habe wieder geheiratet und er habe der Adoption von Suzanne
durch den Stiefvater zugestimmt, weil er der Meinung war, das
sei am besten so für sie.
»Doch nach dem Tod ihrer Mutter kam sie zu mir«, hatte er
berichtet. »Sie brauchte mich.«
Skip Reardon hatte erzählt, Dr. Smiths Haltung gegenüber
seiner Tochter habe an Ehrfurcht gegrenzt. In dem Moment, als
sie das vernahm, stürmte Kerry eine Frage durch den Kopf, die
sie völlig aus der Fassung brachte. Dr. Smith hatte andere
Frauen so verwandelt, daß sie seiner Tochter glichen. Aber
niemand
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